Kastro, Lefka Ori, Kreta
2.219 Meter
Griechenland
9. Juni 2019
Autor: Jürgen
Beschreibung:
Die Lefka Ori - die weißen Berge - sind das dominante Gebirgsmassiv im Westen Kretas und zählen zu den wenigen echten Wüstengebieten Europas. Die Landschaft ist für die nördliche Hemisphäre einzigartig, da es zwar ausreichend Niederschläge gäbe, das Wasser aber sofort im Kalkgestein versickert und sich konische Hügel und Dolinen mit gleichförmigen Hangneigungen von 32° herausbilden. Die Lefka Ori sind abgeschieden und schwer zugänglich, am Ostrand bietet sich mit dem Kastro (2.219m) ein vergleichsweise leicht erreichbares Ziel.
Schwierigkeit: mittelschwierig (T3)
Keine technische Schwierigkeiten, Achtung auf gute Orientierung, Planung und ausreichend Verpflegung. Das Wetter schlägt mitunter sehr schnell um, ich hatte am Gipfel den Orkansturm meines Lebens und konnte mich nur mehr robbend zur Gipfelstange vorarbeiten.
Dauer: 5:30 Stunden
Höhenmeter: 1.450 Meter
Landschaft: ********** (10/10)
Kondition: ****** (6/10)
Anspruch: **** (4/10)
Am Kastro (2.219m) in den fantastischen Lefka Ori, den Weißen Bergen Kretas mit ihren charakteristischen konischen Formen. Was man hier nicht sieht ist der Sturm in Orkanstärke.
Kreta ist die fünftgrößte Insel im Mittelmeer und zu groß für eine umfassende Erkundung in einem einwöchigen Familienurlaub. Die Insel ist Teil des Südägäischen Inselbogens und sehr gebirgig. Ich habe mir vorab zwei Ziele herausgesucht: ein Besuch der Lefka Ori im Westen Kretas (dieser Bericht), und wenn zeitlich möglich auch der Psiloritis, höchster Gipfel Kretas im zentralen Ida-Gebirge.
Vom Strand an der Almyros-Bucht im Norden Kretas ziehen sich die Weißen Berge wie eine Perlenschnur im südwestlich gelegenen Hinterland. Es ist nur eine halbe Stunde Autofahrt von der Küste hinauf nach Amoudari.
Mietwagen gechartert und von Amoudari noch ein Stück aufwärts auf einer guten Bergstraße bis 870m. Dort verpasse ich im Dunkeln die richtige Abzweigung des Europäischen Weitwanderwegs E4 und schlage mich bei Sonnenaufgang durch felsiges Gelände in Richtung Tavri-Hütte.
Das Gelände ist harmlos, allerdings ist das Gestein recht scharfkantig und es stehen viele Disteln zwischen den Phrygana, dorniges Busch- und Strauchwerk, rum - zum Glück bin ich der Empfehlung, bei Bergtouren auf Kreta lange Hosen anzuziehen, gefolgt. Meine eh schon nicht mehr ganz neuen Salomon Speedcross waren nach der Urlaubswoche allerdings im Eimer.
Auf ca. 1.100m erreiche ich eine Hochebene. Die Lefka Ori erstrecken sich über ein Gebiet von 30 x 20 Kilometern, mehr als 50 Gipfel überschreiten eine Höhe von 2.000m. Der Kastro, mein in Bildmitte sichtbares Tagesziel, ist der östlichste und am vergleichsweise leichtesten erreichbare. Im flotten Geh- (nicht Lauf-)tempo habe ich die Tour in 5,5h absolvieren können, als gemütliche Wanderung kann das allerdings zu einer tagesfüllenden Unternehmung ausarten.
Kaliméra! Alle etwas schlanker hier als bei uns in den Alpen.
Nun wieder am an sich gut ausgeschilderten E4.
Orientierungstafel nahe der Tavri-Hütte (1.230m) mit dubiosen Löchern.
Bei angenehmen Temperaturen und einer (noch) leichten Brise setze ich meinen Weg hinein in das Gebirge fort.
Nochmals Kaliméra! Der Hirte hatte wohl keine Freude mit mir, als ich - in extravagantes Signalblau gekleidet - einige Schafe zur Flucht ins Gelände veranlasste.
Bei der Niatos-Hochebene. Im Prinzip könnte man in dem gutmütigen Gelände in beliebiger Linie an- und absteigen, das mit den 32° Hangneigung kommt schon hin. Ich halte mich aber vorest entlang des E4, also über den Einschnitt rechterhand auf die andere Seite des vom Kastro herabziehenden Rückens.
Ich überschreite den kleinen Sattel, dahinter leicht abwärts und bei 1.260m Abzweigung vom Karrenweg auf den Bergpfad. Man beachte die gelb-schwarzen Markierungen, weiter oben hantelt man sich von einer Metallstange zur nächsten.
Langsam tritt die Vegetation zurück, dafür der Wind umso mehr in den Vordergrund. Heftige Böen kommen aus dem Hochtal herunter. Die Metallstangen machen auch Sinn, der Weg ist in so einem Gelände nicht immer deutlich erkennbar.
Es bleibt bei T3, hoher Genußfaktor.
Nächste Stange, nächste Schafherde. Diese pelzigen Genossen würdigten mich keines Blickes. Der weitere Weg verläuft rechts auf dem Rücken.
Lawinenopfer? Die Lefka Ori sind zwar ein exotisches, aber doch immer wieder erwähntes Ziel für Skitouren.
Traumhafter Blick auf die Nordküste und das kretische Meer.
Rückblick auf das bisherige Anstiegsgelände, mein Startpunkt liegt hinter dem links sichtbaren niedrigeren Bergzug, gut 2:15h bin ich bisher unterwegs.
Die wenigen Schneefelder machen keine Probleme. Stellenweise ist der Grat etwas schmaler und steiler, aber nie ausgesetzt.
Im Norden die Souda-Bucht und das hier verdeckte Chania.
Ich nähere mit der Stelle, wo der E4 nach Westen abzweigt (ca. 1.900m). Links oben der nördliche Vorgipfel des Kastro (2.130m).
Eine stürmische Brise von Nord, noch war ich zuversichtlich den Gipfel im aufrechten Gang zu erreichen.
Langsam öffnet sich der Blick nach Westen in die Weißen Berge.
Durch den starken Wind beschließe ich, etwas tiefer in der Flanke hinüber zum Hauptgipfel zu queren. Das kleine Schneefeld ließ sich problemlos umgehen.
Die ganze Größe der Insel wird erfahrbar, obwohl hier nur etwa 25 km zwischen Nord- und Südküste liegen.
Ein nächster kleiner Vorgipfel.
In der Scharte unterhalb des Gipfels auf 2.080m empfängt mich der Blick ins Gebirgsinnere und ein ausgewachsener, durchgängiger Sturm. Lt. 12-teiliger Beaufortskala ist das Gehen ab Stärke 9 (Windgeschwindigkeiten ab 75 km/h) erheblich behindert, was hier schon absolut der Fall war.
Schutzbau unterhalb des Gipfels.
Ich gab den letzten 100 Höhenmetern eine Chance, mal schauen wie weit ich komme. Es bestand ja kein Risiko, durch einen Ast o.ä. erschlagen zu werden.
Etwa 20 Meter unterhalb des Gipfels war ein aufrechter Gang völlig unmöglich, also zuerst krabbelnd, dann am Boden robbend bis zum Gipfel des Kastro mit seiner Gipfelstange auf 2.219m. Würde es auf Windstärke 11 (100-120 km/h) schätzen.
Die südlichen Lefka Ori: links der Trokháris (2.401m), etwas rechts der Bildmitte mittig der Pákhnes, mit 2.453m der Gruppenhöchste.
Den Plan, den Kastro nach Süden zu überschreiten, musste ich verwerfen, eine Überquerung des Gipfelplateaus schien mir zu gefährlich.
Also Abstieg und so schnell wie möglich in den windgeschützteren Bereich.
Abfigeln auf Kreta.
Ab 2.000m ließ es sich wieder gut aushalten. Toller Fernblick nach Osten, schemenhaft ist am Horizont das Ida-Gebirge mit dem Inselhöchsten, dem Psiloritis (2.456m), zu sehen. Für den Abstieg böte sich auch der "Grat" rechts an, doch auch dieser war heute zu stark dem Nordwind ausgesetzt.
Dank der Schneefelder ging der Abstieg rasch.
Drüben der Rücken, über den ich aufgestiegen bin.
Zurück bei den dornigen Dingern.
Durch das Tal links kam ich runter.
Einfädeln auf den E4.
Zurück beim Niatos-Plateau.
Gemütliches Wandern zur Tavri-Hütte, vom Sturm zurück in die Hitze.
Blick zurück zum Kastro und zu einer sehr windigen, aber landschaftlich traumhaften Erfahrung.
Ein Steinmann markiert die Abzweigung des E4 hinunter nach Amoudari.
Andere Länder, andere Pflanzen.
Andere Länder, andere Tiere.
Der gut markierte Steig, den ich im Aufstieg verfehlt habe, bringt mich bei Temperaturen an die 30° talwärts.
Um 11 Uhr erreiche ich nach 5:30h wieder den Ausgangspunkt an der Bergstraße.
Wie schnell ein Wetterumschwung in diesem exponierten Gebirge vor sich geht, zeigt dieses Bild aus dem Auto keine 10 Minuten später. Der Kastro rechts der Bildmitte schon fast eingewölkt, wenig später verschwand er völlig. Ein White-Out wäre dort oben, vor allem bei derart stürmischen Verhältnissen, nicht erstrebenswert.
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Robert aus Kufstein (Dienstag, 23 Juli 2019 16:18)
Servus Jürgen,
habe die Tour auf den Kastro letzte Woche gemacht. Danke für den Tip!
Auf diesem Gipfel ist es wohl meist ziemlich stürmisch, hab es auch zu spüren bekommen.
Wenn du wieder einmal auf Kreta bist: Gigilos und Volakias 2117m von Omalos aus (Eingang Samariaschlucht)
ist auch eine schöne Tour.
Gruß - Robert
Andreas-kapeller@aon.at (Mittwoch, 04 November 2020 21:53)
Hallo ihr Kreta Fans. War heuer auch auf Kreta. Habe da auf Souda eine Gedenktafel gesehen über einen Flugzeugabsturz 1975 in den weißen Bergen und zwar am Hang des Malityros von der deutschen Bundeswehr mit 42 verunglückten Soldaten. Kann man da auch hinwandern?
Jürgen (Montag, 09 November 2020 14:05)
Hallo Andreas,
die Lefka Ori sind schwer zugänglich und ich habe mich von Osten her nicht allzu weit hineingewagt. Der Malityros sagt mir leider nichts, heißt der Berg eventuell anders?
Gruß
Tanja Jansen (Donnerstag, 07 Oktober 2021 05:52)
Ich komme gerade aus den Lefka Ori zurück . Ich bin von Amoudari bis Agios Roumeli durch die Lefka Ori alleine gewandert. ich bin so dankbar, dass ich nicht so einen heftigen Sturm wie du erlebt habe.
Es war ein Erlebnis das ich wohl nie vergessen werde.