Cima Tosa

3134 Meter

Brenta Dolomiten

15. August 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Von Molveno (870m) mit MTB in das Valle delle Seghe, vorbei an der Baita Ciclamino (950m) und bis zur Abzweigung des Wegs Nr. 319 (1.320m). Zu Fuß zum Rif. Selvata (1.657m) und über die Baito Massodi (1.994m) durch das Hochtal zum Rif. Pedrotti (2.491m). Dann am Senterio Brentari (Nr. 358) vorbei an den Gletscherresten der Vedretti della Tosa zum Kamin beim Gipfelaufbau (ca. 2.870m). Die Beschreibungen des Durchstiegs variieren etwas, siehe Details unten im Bericht. Oberhalb des Kamins über gestuftes Felsgelände zum Gipfelplateau der Cima Tosa, der höchste Punkt ist durch die Marienstatue markiert (3.134m). Ab- wie Aufstieg.  

 

Schwierigkeitsgrad: am Gipfelaufbau sehr schwierig (II+), sonst wenig schwierig (T3)

Die Schwierigkeiten bis zum Gipfelaufbau sind vor allem konditioneller Natur. Der Kamin selbst ist keinesfalls zu unterschätzen: die klettertechnischen Schwierigkeiten erreichen zwar kaum den dritten Grad (die Bewertungen im Internet schwanken zwischen "Dolomiten-IIer" und III), doch der Durchstieg ist äußerst exponiert. Nicht ohne Grund wird hier beim Abstieg in der Regel abgeseilt. Bei seilfreier Begehung sollte man sich 100% sicher sein, die Felsstufe auch im Abstieg zu packen. 

 

Dauer: 8:30 Stunden

Höhenmeter: 2.340 Meter

 

Parkplatz:

Kostenpflichtiger Parkplatz in Molveno beim Eingang des Valle delle Seghe in der Via Lungolago (Tagesticket 10€!) 

 

Einkehrmöglichkeiten:

Rif. Selvata

Rif. Pedrotti

 

Landschaft:  ********** (10/10)

Kondition:      ********* (9/10)

Anspruch:       ********* (9/10)



Die Marienstatue auf der Cima Tosa (3.134m). Nach einem erfolglosen Versuch im Sommer 2015 und der letztjährigen Besteigung der Cima Brenta (im Bildhintergrund) habe ich mir mit der Cima Tosa einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Als Tagestour von Molveno aus ist die Tour aber keine Kinderjause.

  

6:10 Uhr, am Eingang des Valle delle Seghe nahe des Lago Molveno (870m). Mehr als 2.000 Höhenmeter überragen die Gipfel der Brenta den Touristenort Molveno. Los geht das Abenteuer und Höhepunkt der diesjährigen Italien-Woche, heute soll es nach langem Warten endlich stabiles Wetter ohne den lästigen Brenta-Nebel geben. 

 

Mich würde ja interessieren, wie hoch die Chance bzw. das Risiko tatsächlich ist. Als Laie bleibt, wenn man sich völlig alleine im Dämmerlicht durch den Wald bewegt, ein leicht mulmiges Gefühl.

 

Anfangs sehr steil auf gepflastertem Untergrund hinein in das Valle delle Seghe, dann wird die Forststraße hinauf zum Rif. Croz dell'Altissimo gut fahrbar.  

 

Auf 1.320m richte ich mein Raddepot ein und nehme Weg Nr. 319 hinauf zum Rif. Selvata. Einmal im Jahr bin ich in der Brenta, jedes Mal wieder haut mich die Landschaft aus den Socken. 

 

Sonnenaufgang am Croz dell'Altissimo (2.338m). Von Süden her ist dieser Berg leicht ersteigbar, was man von der mächtigen Südwand nicht behaupten kann.

 

Gegen 7:45 Uhr erreiche ich das Rif. Selvata (1.657m). Ein vorher nur hörbarer grimmiger Wachhund entpuppt sich als Viertelportion und zieht nach einem kompromisslosen "Huuh" wimmernd von dannen. 

 

Nach der Hütte wartet diese latschenbewachsene Geländestufe, die den Eingang zum Hochtal der Massodi markiert. 

 

Rückblick auf den bisherigen Anstiegsweg, rechts der unscheinbare Croz di Selvata (1.988m), dahinter die mit Liftanlagen stark erschlossene Paganella (2.124m). Die dort befindliche Webcam empfehle ich für das Studium der sich üblicherweise am Vormittag entwickelnden Brenta-Nebel - eine Wissenschaft für sich.

 

Bei der Baita Massodi (1.994m) - Eintritt in die innere Brenta. Links oben bereits das Rif. Pedrotti. Halbrechts der ... 

 

... weltberühmte Campanile Basso (2.883m; auch "Guglia di Brenta" genannt). Allein dieser Anblick bei perfektem Wetter war das frühe Aufstehen wert. Der Turm ist nur für Kletterer ersteiglich, es gibt diverse Ver-Routen.

 

Am Weg zur Pedrotti-Hütte durchquere ich die Massodi, eine grüne Hochebene. Links der Monte Daino (2.685m), einer der leicht erreichbaren Brenta-Gipfel (max. I).   

 

Paganella mit ihren Sendeanlagen, dahinter die Fleimstaler Alpen im Nahbereich von Trient. 

  

Genussvoll steige ich höher zur Hütte, an keinem Platz der Welt wäre ich in diesem Moment lieber gewesen. 

 

Der Croz dell'Altissimo wird langsam kleiner. 

 

Die Ostseite des Brenta-Hauptkamms, unten verlauft der Sentiero Orsi, oben im Fels der Bocchette-Weg. 

 

Tosa- und Pedrotti-Hütte am Fuß der Cima Brenta Bassa (2.809m), rechts die Einschartung der Bocca di Brenta, wo ich vor 3 Jahren von Madonna di Campiglio herübergewandert und später wegen zu dichtem Nebel an der Cima Tosa abgeblitzt bin. 

  

Lichtspiel am Croz del Rifugio (2.613m). 

 

Diesen Bergtag werde ich nie vergessen - Ankunft um 9:30 Uhr beim Rif. Pedrotti (2.491m).  

 

Die Hütte steht auf einem kleinen Sattel, nach Süden der Kessel der Pozza Tramontana und der Passo di Ceda (2.223m), wo man auf einsamen Steigen auch zurück zum Molveno-See gehen könnte. 

 

Für mich geht's allerdings noch eine Etage höher. Vorne taucht erstmals der riesige Gipfelstock der Cima Tosa auf. 

 

Etwas Adrenalin schießt ein beim Zoom auf die Schlüsselstelle, dem Aufstiegskamin in Bildmitte. 

 

Doch zuerst am Weg Nr. 358 weiter, ich passiere den kümmerlichen Rest der Vedretta di Tosa inferiore. 

 

Unterhalb der Cima Margherita (2.845m) vorbei, rechts davon die Felsnadel des Campanile Basso nun von der anderen Seite gesehen, ganz rechts die Cima Brenta Alta (2.964m). 

 

Weil er so schön ist. Beim letzten Mal habe ich hier nur grauen Nebel gesehen. 

 

Langsam wird es spannend. Über ein paar kleine Absätze aufwärts. 

 

Öde Weite in der Brenta, tolle Fernsicht in die Fleimstaler und Vizentiner Alpen. Vorne links der Sattel mit der Pedrotti-Hütte. 

 

Bei der Vedretti di Tosa superiore überschreite ich ein kleines harmloses Schneefeld. 

 

Nun wird's ernst, ein paar Meter nach links hinauf, gegen 10:30 Uhr erreiche ich den Einstieg. Der Aufstiegskamin ist nicht der größere rechts, sondern der von hier noch unscheinbare linke.  

 

Materialwechsel und ab geht's. Einstieg bei der verblassten roten Markierung. Ist immer spannend, teils stark voneinander abweichende Berichte in der Realität zu prüfen. 

 

Der Beginn des Kamins. Das Gelände ist fast senkrecht, aber stark strukturiert mit sehr guter Felsqualität. Zwischenziel ist der Klemmblock auf etwa halber Höhe, dort rechts hinaus auf ein Podest. Danach über die Schlüsselstelle in den Kamin zurück, wieder nach rechts auf ein schmales Band und noch eine Stufe hinauf bis zum breiten Ausstiegsband (siehe Bildfolge unten).

 

Es geht ruck-zuck zur Sache - im unteren Teil rasch in einen IIer übergehend, ohne absoluter Schwindelfreiheit geht hier nichts. Das Foto gibt gut die Steilheit der Felsstufe wieder. Sicherungsmaterial wäre vorhanden, erster gebohrter Haken links sichtbar. 

 

Der Klemmblock treibt mich aus dem Kamin hinaus auf ein Podest. Hier Möglichkeit zum Sammeln. (Die meisten Fotos sind vom Abstieg, da ich mich beim Aufstieg nicht zuviel ablenken lassen wollte.)

 

Der schwierige Teil: vom Podest sehr exponiert im Kamin aufwärts, hier muss man über 3-4m beherzt zugreifen. Technisch nicht schwierig (II+ erscheint mir gerechtfertigt, da man Kletterschwierigkeit und Ausgesetztheit auseinander halten muss), oberhalb bietet sich dann auch die Möglichkeit zum Verspreizen, da der Kamin nach oben schmäler wird. Trotzdem ist die Ausgesetztheit schon bemerkenswert.

 

Ausblick aus dem engen Kamin nach der Schlüsselstelle.  

 

Ich folge wenige Meter einem schmalen, ausgesetzten Band. Hier heißt es sauber zu steigen.  

 

Ober mir ein nicht zu übersehender Haken. Ich klettere, jetzt deutlich weniger ausgesetzt, auf das nächsthöhere Band (II). 

 

Oben Ausstieg auf dieses bequeme, breite Band, einige Meter weiter vorne die Abseilstelle.

 

Von oben schaut das Ganze zugegebenermaßen schon recht wild aus - daher auch meine Empfehlung, dass man sich beim Einstieg 100% sicher sein muss, die Passage auch wieder abklettern zu können. Die meisten seilen an dieser Stelle ab. 

 

Von unten öffnet sich ein Amphitheater. Am besten immer eher rechts halten, die zahlreichen Steinmänner zeigen die beste Linie an. 

 

Blick hinüber zur Cima Garbari (3.018m), links die Sella della Tosa, der von den zahlreichen Klettersteiglern gerne benutzte Übergang am Bocchette-Weg zur Vedretta d'Ambiez bzw. zum Rif. Agostini. Damals, nach der Entscheidung zum Abbruch, bin ich dort drüber und über die Bocca d'Ambiez in einer schönen Rundtour zurück zum Rif. Brentei und nach Madonna di Campiglio zurück. Während die Brenta-Westseite damals schön frei war, stocherte ich hier an der Ostseite nur im Nebel herum.

 

Das ist heute zum Glück anders. Von Stufe zu Stufe aufwärts, max. I. Nach oben hin flachen die Geländestufen zusehends ab. 

  

Was für ein Ausblick! Weit und breit kein Brenta-Nebel, die paar Quellungen bleiben harmlos. Vorne die Cima Ghez (2.713m), dahinter das Gipfelmeer der Fleimstaler und Vizentiner Alpen. 

  

Überraschendes Leben in der Ödnis auf 3.100m. Hatte vorher seit mehreren 100 Höhenmetern keinerlei Vegetation mehr gesehen.

 

Ich erreiche das Gipfelplateau der Cima Tosa, Eintritt in ein völlig weltfremde Umgebung. Ich hatte aufgrund des Feiertags (15. August) mit etwas Betrieb gerechnet, doch es ist weit und breit niemand zu sehen. Es ist 11:15 Uhr, etwas mehr als 5 Stunden habe ich von Molveno gebraucht. 

 

Pause vor dem atemberaubenden Anblick des Crozzon di Brenta (3.135m). Dritthöchster Gipfel der Brenta, der lange Zeit als unersteiglich galt, der Normalweg geht von der Cima Tosa über den ausgesetzten Grat zum Gipfel (angeblich nur II, schaut aber deutlich wilder aus). 

 

Ich versuche mich auf dem großen, flachen Plateau zu orientieren. Da vorne rechts dürfte der höchste Punkt sein. 

 

Ehrfürchtig bestaune ich die Canaloni Neri, mit 900 Höhenmeter eine der höchsten Schnee-/Eisrinnen der Alpen. Unten auf der Wiesenfläche das Rif. Brentei. 

 

Und es ist leider wahr, die einst mächtige Firnkuppe wird die nächsten wenigen Sommer nicht mehr überleben. 

 

Die Marienstatue auf der Cima Tosa (3.135m). Das Gipfelbüchlein ist ziemlich zerfleddert und mit vielen Erinnerungen an verunglückte Bergsteiger gespickt.

 

Selfie with Mary. 

 

Zeit für einen Rundumblick: im Norden die Cima Brenta (3.152m), die der Cima Tosa nun den Rang als höchster Berg der Brenta-Gruppe abgelaufen hat. Das Studieren meiner damaligen Anstiegslinie durch die Südwand ist ein schauriges Vergnügen. 

 

Vor allem der Blick auf die 'rampa centrale' ist ein Traum. Nicht zu glauben, dass der Anstieg im II. Grad verbleibt. 

 

Ich marschiere etwas am weltentrückten Plateau herum, vor allem der Blick nach Westen zum Adamello ist unbeschreiblich. 

 

Im Süden die letzten höheren Alpenausläufer, u.a. der Pasubio. Unten das Rif. Agostini, Stützpunkt für Touren im südlichen Bereich der Brenta, das man entweder über den Bocchette-Weg oder aus dem darunterliegenden Val d'Ambiez erreicht. 

 

Von Süden aus der Bocca d'Ambiez leitet die anspruchsvolle Via Migotti (III) auf die Cima Tosa, wodurch man eine Überschreitung machen kann. Erinnert mich beim Tiefblick an den Südanstieg auf die Torsäule und die Kirchdachspitze. 

 

Eindrücke für die Ewigkeit. 

 

Nun wieder zurück in das nördöstliche Eck zum Abstieg, hier könnte man bei Nebel schon alleine beim Suchen des Einstiegs Probleme bekommen. 

 

Ich verlasse diesen urtümlichen Ort wieder, es wartet eine weite Strecke retour nach Molveno. 

 

Nach unten hin wird der Kessel wieder steiler. Beim senkrechten Abbruch geht's nach rechts zum Kamin. 

 

Die zahlreichen Steinmänner sorgen für eine einfache Orientierung. 

 

Wieder am Band angelangt: noch einmal volle Konzentration. Vorne der Stand für den hier üblichen Abseiler. Mit nunmehriger Kenntnis der kniffligeren Stellen geht das Abklettern gut. 

 

Rückblick auf die anspruchsvollen 20 Meter. Ohne Hektik und inklusive Bilddoku brauche ich keine 10 Minuten, einen Fehler darf man sich hier aber nicht erlauben.

 

Geschafft, um 12:20 Uhr bin ich wieder im sicheren Terrain. Damals habe ich bei der roten Markierung hin und her überlegt, ob ich trotz dichtem Nebel aufsteigen soll. Bin froh, mich damals dagegen entschieden zu haben, das Gelände ist zu ernst. 

 

Jetzt fällt die Anspannung ab, von hier ist die Reststrecke nach Molveno zwar weit, aber ein Klacks. Also leichte Trailschuhe drauf und los geht's.

 

Ohne Stress sauge ich die tolle Landschaft in mich auf und marschiere retour zur Pedrotti-Hütte. 

 

Bye bye, Cima Tosa. 

  

Um 13:00 Uhr bin ich wieder beim Rif. Pedrotti. 

  

Für den Abstieg gäbe es zwar ein paar Alternativen, z.B. über den Passo di Ceda, aber ich habe mein MTB im Valle delle Seghe und gehe daher denselben Weg zurück. 

 

Am Weg Nr. 319 hinab zur Baita Massodi, am Fuß der senkrechten Wände des Castelletto di Massodi (2.136m).

 

Weiter runter zum Rif. Selvata. 

 

Der Croz dell'Altissimo und überhaupt der Nordteil der Brenta stehen schon auf dem Tourenplan. 

 

Urtümliche Brenta, da kann nur das Karwendel mithalten. 

 

Um 14:00 Uhr gelange ich zum Rif. Selvata, ziemliches Halligalli zu Ferragosto. Die Italiener sind schon ein ziemlich bergverrücktes Volk. 

 

Hinab ins Valle delle Seghe. Das Plateau auf der gegenüberliegenden Talseite (Pradel) ist von Molveno aus mit einer Seilbahn erschlossen. 

 

Statt einer Stunde Fußmarsch bringt mich das Bike mehr oder weniger bequem (weil im unteren Teil sehr ruckelige Pflasterstraße), jedenfalls aber schnell und kraftsparend zurück zum Lago Molveno. 

 

Um 14:45 Uhr beende ich die Tour nach 8:30h und über 2.300 Höhenmetern beim Auto. Was für ein Tag, was für ein Berg!

 

Mit traumhaften Eindrücken trete ich die Rückfahrt vom Molveno-See an. Perfekt erwischt heute, mit der Cima Tosa bei diesen Verhältnissen habe ich mir einen Traum erfüllt. Die Brenta ist jedes Mal wieder ein Erlebnis, doch es gibt noch viel zu entdecken!

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Josef (Freitag, 31 August 2018 13:08)

    Traumhaft!!! Das Ganze ist schon beim Betrachten am Bildschirm ein Erlebnis.

  • #2

    w.w. (Freitag, 31 August 2018 21:45)

    So eine schöne landschaft .ich bewundere deine ausdauer und kraft die du dazu brauchst. Es steckt so viel Herzblut drinnen. Gratulation und lb.g .