Lüsener Fernerkogel über Nordgrat

3298 Meter

Stubaier Alpen

30. September 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Ausgangspunkt ist der Ghf. Lüsens (1.634m), hinein in den Talschluß zum Jugendheim und bis kurz vor die Längentaler Alm (1.989m). In einer Links-Rechts-Schleife auf breiten Grasbändern zum Beginn des Nordgrats (ca. 2.300m). Immer gerade aufwärts an der Gratkante, man passiert drei markante Punkte, hinter denen der Grat jeweils merkbar abflacht (2.650m/2.940m/3.150m), und über den Blockgrat zum Gipfel (3.298m). Abstieg nach Süden über den Normalweg zum mittlerweile zweigeteilten Rotgratferner (ca. 3.190m) und über die 'plattige Wand' zum Lüsener Ferner (2.980m). Relativ weit östlich haltend zur 'Mauer', am Moränenrücken über den markierten Steig (ab ca. 2.750m) zum Kleinen Horntal, steil hinunter zum Fernauboden und retour nach Lüsens.

 

Die Skitour über die klassische Route via 'Mauer' und Lüsener- bzw. Rotgratferner haben Roman und ich vor 3 Jahren gemacht. 

 

Schwierigkeitsgrad: schwierig (T5/II)

Wichtigste Empfehlung: trockene Verhältnisse! Kletterei am Nordgrat meist I-II, viel Gehgelände, direkt an der Gratkante einige umgehbare IIIer-Stellen. Abstieg zum Rotgratferner I+. Steigeisen bei Blankeis am relativ steilen Rotgratferner anzuraten. Steig über Kleines Horntal zum Fernauboden im unteren Teil überwuchert, sehr steil und teils ausgesetzt.  

 

Dauer: 7:45 Stunden

Höhenmeter: 1.750 Meter

 

Parkplatz:

Lüsens (4€).  

 

Einkehrmöglichkeiten:

Alpengasthof Lüsens

 

Landschaft: ********** (10/10)

Kondition:       ******** (8/10)

Anspruch:          ******* (7/10)



Der König im Lüsenstal - der Lüsener Fernerkogel (3.298m). Sowohl im Sommer als auch im Winter eine fantastische Bergfahrt!

 

Vor 2 Jahren entstand diese Aufnahme von der gegenüberliegenden Lüsener Villerspitze (3.027m) mit dem heutigen Tourenverlauf: den imposanten Nordgrat zum LFK rauf, Abstieg über Rotgrat- und Lüsener Ferner sowie am Rande der 'Mauer' hinab nach Lüsens. 

 

Auch aus dem Tal ist der Fernerkogel ein richtig fetter Klotz, links die 'Mauer'. Ich starte die Tour mit Wehmut, da ich eine gemeinsame Tour mit den Götzner Jungs rund um Christian zwei Tage zuvor leider absagen musste. Sie haben mich dann solange mit ihren tollen Fotos geärgert, bis ich heute um 5:00 Uhr morgens kurzfristig auf den LFK umdisponiert habe. Für den Folgetag waren Schneefälle vorgesagt und ich wollte den Grat dieses Jahr noch schneefrei gehen.    

 

Einhatschen von Lüsens (1.634m) zum Jugendheim, dahinter im Wald die Geländestufe rauf ins Längental.  

 

Bin bisher nur im Winter oder Frühjahr hier vorbeigekommen, beispielsweise auf meinen Skitouren zum Hinteren Brunnenkogel oder zum Winnebacher Weißkogel. Den Grat hatte ich als Bergtour schon länger im Auge, im Sommer sieht man auch gleich, wo der Zustieg über die breiten Grasbänder zum Nordgrat erfolgt. 

 

Weglos die Grasflanke nach oben. Grubenwand (3.173m) und Schöntalspitze (3.002m) bereits in der Sonne - es kündigt sich ein traumhafter Herbsttag an, der den Verhältnissen zwei Tage zuvor um nichts nachsteht. 

 

Da ich mich so kurzfristig zur Tour entschlossen habe, hatte ich keine Zeit um die Feinheiten zu recherchieren. Man könnte nämlich auch direkt über diese Stufe ansteigen (max. II), ich bin aber den Standardweg mit der großzügigen Links-Rechts-Schleife gegangen. 

 

Also relativ weit da links hinüber und steil auf das obere Band, gut sichtbare Steigspuren und immer wieder Steinmänner weisen den Weg. 

 

Oben auf schwachem Pfad wieder nach rechts retour. 

 

Da oben beginnt der Fels, ziemlich genau 1.000 Höhenmeter Gratkraxelei erwarten mich. 

 

Einstieg in den Nordgrat auf ca. 2.300m. 

 

Ich habe mir vorgenommen, möglichst an der Gratkante zu bleiben. Nach einigen leichten Aufwärmereien folgt die eine oder andere IIer Stelle, sporadisch auch III. Ließe sich alles wenige Meter daneben in leichterem Gelände umgehen. Ginge man konsequent den Weg des geringsten Widerstandes, würde man mit wenigen IIer Stellen bis ganz oben durchkommen. 

 

Tiefblick auf Längentaler Alm. Im unteren Teil ist der Nordgrat am steilsten und wird dann zunehmend flacher. 

 

Ein paar Stellen auf Reibung, bei Trockenheit eine lässige G'schicht. Bin ich froh, dass ich die Tour gleich nachgeholt habe! Eine Beschreibung der einzelnen Stellen ist aufgrund der Länge des Grats nicht sinnvoll. 

  

Auf ca. 2.650m vereinigen sich ein paar Gratäste und es geht darüber flacher weiter. Kurzes Ausweichen in die Westflanke, oben der noch weit entfernte Gipfel. 

 

Im flacheren Teil. Ich wusste irgendwo hier muss sich der Felsblock mit den Inschriften der Erstbegeher aus dem Jahr 1888 befinden. 

 

Ich wollte unbedingt an der Gratkante bleiben und hab dann vor lauter Kletterspass diesen Block mit den exakt 130 Jahre alten Inschriften völlig übersehen. Hier das Foto von Christian zwei Tage zuvor, danke dafür!

 

Eine etwas schwierigere Stelle (II). 

 

Drüben die Villerspitzen, der linke Zapfen ist die Lüsener Villerspitze (3.027m), von der das zweite Beitragsbild aufgenommen wurde. Rechts der Bildmitte die Hohe Villerspitze (3.087m); steht auch schon länger auf dem Tourenplan - man muss ja nachprüfen, ob die ganzen 'Horror'-Geschichten über den berüchtigten 'Schiefen Gang' wirklich stimmen. 

 

Oberhalb der IIer-Stelle. 

 

Panorama nach Westen: von links nach rechts Hoher Seeblaskogel (3.235m), Breiter Grieskogel (3.287m), Winnebacher Weißkogel (3.182m) und Grubenwände (3.173m). 

  

Pkt. 2.940m, hinter dem es neuerlich abflacht. 

 

Kurz wird der Grat etwas schmäler. 

 

Tiefblick zum Westfalenhaus mit der Gratsilhouette als Licht-Schatten-Grenze. 

 

Es naht ein interessanter Gratbuckel. 

 

Der weiße Pfeil. Hier wusste ich, dass man - den Pfeil ignorierend - rechts etwas luftig über den Grat oder eben linkerhand über eine brüchige Rinne ansteigen kann. 

 

Unterwegs am Nordgrat, und das bei diesem Kaiserwetter. 

 

Blick in die dunkle Nordwestseite. Bei mir am Grat waren einige im Schatten gelegene Felsen vom Regen tags zuvor angeeist, ging aber problemlos. 

 

Ich überschreite die 3.000er Marke, vorne der Lüsener Ferner, über den ich später absteigen werde, dahinter die Alpeiner Berge mit Knoten-, Kräul, See- und Ruderhofspitze

 

Auf 3.150m der nächste Gratkopf, nun wartet das letzte, wiederum sehr schöne Gratstück. 

 

Ohne Worte ...

 

Rückblick auf den Nordgrat, nach 2:45h am Grat und gesamt 3:45h bin ich am ...

 

... Lüsener Fernerkogel (3.298m). 

 

Villerspitzen, dahinter Kalkkögel, links am Horizont das Karwendel. 

 

Wildspitze (3.768m), davor Bachfallenkopf (3.178) und Längentaler Weißer Kogel (3.217m). Halblinks am Horizont der Ortler (3.905m) und ganz links außen der Monte Cevedale (3.769m), beide rund 80 Kilometer Luftlinie entfernt. 

 

Längental und Westfalenhaus, angeblich gibt es auch einen brüchigen Anstieg durch die Westflanke des Fernerkogels. 

 

Unübertreffliches Panorama am Fernerkogel. 

 

Das weitere Abstiegsgelände, im Vordergrund der obere Rotgratferner und dessen mittlerweile abgetrennter südliche Teil, dahinter der noch sehr mächtige Lüsener Ferner. 

 

Nach einer halben Stunde entspanntem Schauen mache ich mich an den langen Abstieg, der genauso lang dauern wird wie der Anstieg. Zuerst abwärts zum Rotgratferner (I+), man könnte direkt die steile, brüchige Rinne absteigen, ich halte mich aber rechts zur Scharte. 

 

Im Sommer leichter als es hier aussieht, im Winter können diese 100 Höhenmeter je nach Verhältnissen durchaus anspruchsvoll sein.

 

Im oberen Teil ist auf Spalten zu achten. Die Schneekruste täuscht, der Gletscher ist praktisch blank und ich bin froh um meine Steigeisen.

  

Über den Rotgratferner ...

  

... der im unteren Teil relativ stark geneigt ist. Hier waren die Eisen wertvoll. Dann über die Blöcke rüber zum unteren Teil des Ferners. 

 

Vom unteren Ende des Rotgratsferners könnte man direkt durch die steile Schuttrinne hinunter zur Mauer. Sah nicht besonders lohnend aus, ich wollte die Runde im schöneren Teil begehen. Bin daher rüber zur 'plattigen Wand' ...

 

... und runter zum Lüsener Ferner. Vorne die Lüsener Spitze (3.231m), mit Ski die leichtere Alternative zum Fernerkogel

 

Hinab zum mächtigen Lüsener Ferner. 

 

Brüchig und schuttig, aber ohne Schwierigkeiten. 

 

Nordflanke Wildes Hinterbergl (3.288m). 

 

Hier flaniert man spaltenfrei dahin. 

 

Herrlicher Farbkontrast zwischen Gletscher und den roten Felsen der Rotgratspitze. 

 

Einzelne Rinnsale sind zu queren. 

 

Schon im unteren Gletscherbereich. 

 

Der Gletscher endet mittlerweile schon vor der 'Mauer'. 

 

Materialwechsel, es warten noch 1.300 Höhenmeter über die 'Mauer' zurück nach Lüsens. Was im Winter über weite Strecken eine lohnenswerte Abfahrt ist, ist im Sommer eher umständlich.  

 

Wie weit sich der Gletscher in den nächsten 10-20 Jahren wohl zurückziehen wird?

 

Vorne die steile Schuttrinne, durch die man vom Rotgratferner herunter abkürzen könnte. Der Abstieg ist zwar schneller, dafür kommt man in den Genuss der glatt geschliffenen Felsen und - je nach Jahreszeit - auch der Gletscherabflüsse. Die Rinne lohnt vor allem im Winter, im Sommer ist die Umgehung wesentlich schöner.  

  

Rettungseinsatz an der nahen, viel besuchten Rinnenspitze (3.003m)

 

Der östliche Arm des Lüsener Ferners reicht noch bis etwa 2.800m.

 

Lüsener Fernerkogel von Osten, ein prachtvolles Massiv. 

 

Am markierten Steig, der über mehrere hundert Höhenmeter auf dem Moränenrücken verläuft. Weiter unten überquert man den Bach nach rechts in das Kleine Horntal. 

 

Hohe Villerspitze mit dem 'Schiefen Gang', auf diesen Gipfel freue ich mich schon. 

 

Rückblick zur Mauer. 

 

Herbst in den Stubaier Alpen. Ich nähere mich der 'Räuhe'. 

 

Langer Abstieg seitlich der Mauer. 

 

Im Winter plagt man sich über diese Steilstufen drüber, es dürfte irgendwo auch ein markiertes Steiglein geben, das mir bei meinem rustikalen Abstieg bei der Tour zum Brunnenkogel aufgefallen ist. 

 

Der markierte Steig setzt an zum abenteuerlichen Finale. 

 

112 Jahre alte Gedenktafel. 

 

Der Steig bekommt von mir das Prädikat 'besonders spannend'. Schmale, sehr ausgesetzte Wegführung durch steiles Gelände. Bei Nässe ist dieser Steig gefährlich. 

 

Auch bei Trockenheit sollte man an den schmalen Stellen aufpassen.

 

Im Sommer ist dieser Weg der reinste Dschungel. 

  

Nach 20 Minuten kann man die Konzentration wieder zurückfahren, vorne das Jugendheim, wo ich heute früh links hinauf in das Längental aufgestiegen bin.

  

Von links oben steigt man die steile Flanke herunter, wer will kann sich aber auch direkt über die 'Mauer' nach unten durchschlagen.

 

Sonntagsschlendern zurück nach Lüsens. 

 

Nach nicht ganz 8 Stunden inklusive Pausen bin ich wieder zurück beim Ghf. Lüsens. Eine Audienz beim König ist immer etwas besonderes, und diese Tour kommt in die Kategorie mit "hoher Wiederholungsgefahr". In jedem Fall aber nur bei Kaiserwetter und trockenen Verhältnissen. 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Schwan (Montag, 31 August 2020 22:17)

    Jürgen, vielen Dank für die ausführliche Beschreibung und die vielen Bilder. Die vielen Details machen es leichter die Tour zu beurteilen und dann auch zu gehen. Ich selbst war vor ca. 45 Jahren im Winter per Ski auf dem Gipfel. Bin nicht sicher, ob ich es nochmal im Sommer wagen soll. Der Reiz ist jedenfalls wieder da!
    Danke nochmal und viele schöne Touren weiterhin.