Heiterwand Haupt- und Ostgipfel
2639 / 2471 Meter
Lechtaler Alpen
4. August 2018
Autor: Jürgen
Beschreibung:
Von Obtarrenz (1.018m) gegen den Uhrzeigersinn um den Rauchberg, vorbei an Sinnesbrunn (1.520m) und zum Reisenschuhjoch (2.054m) nahe des Alpleskopfs. Abstieg zum Reisenschuhbach (ca. 1.850m) und hinauf zur unbewirtschafteten Heiterwandhütte (2.020m). Einstieg in die Heiterwand-Südflanke bei der linken Schotterreise und über Rinnen und Schrofen zum Gipfelgrat bei einem großen Steinmann (ca. 2.450m). Zuerst nach Westen meist direkt am Grat über schöne Aufschwünge zum Hauptgipfel (2.639m). Retour zum Steinmann und am Grat über drei Scharten zum Ostgipfel (2.471m). Abstieg von der letzten Scharte über die Schrofenflanke zur Heiterwandhütte und über das Grubigjöchl in das Alpeiltal bis ca. 1.300m, dann kurzer Gegenanstieg über die "Stiege" und am Forstweg hinaus nach Obtarrenz.
Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T5/II+)
Kletterschwierigkeiten in der Südflanke bis II-, am Grat zum Hauptgipfel II mit sehr festem Fels. Richtung Ostgipfel brüchiger, der Abstieg in die zweite Scharte sowie der letzte luftige Aufstieg II+. Erwähnenswert ist auch der rutschige, versicherte Abstieg vom Reisenschuhjoch, der an einigen Stellen stark erodierte Steig sowie die zunehmend verfallende "Stiege" - hier überall Trittsicherheit erforderlich.
Dauer: 7:45 Stunden
Höhenmeter: 2.130 Meter
Parkplatz:
Beim Sportplatz in Obtarrenz.
Einkehrmöglichkeiten:
keine - Heiterwandhütte unbewirtschaftet
Landschaft: ********** (10/10)
Kondition: ********** (10/10)
Anspruch: ******** (8/10)
Am Hauptgipfel der Heiterwand (2.639m), dem höchsten Punkt der 8 Kilometer langen Felsmauer in den Lechtaler Alpen. Der Gipfel hat rund 20-25 Begehungen pro Jahr, ein paar Unentwegte wagen die Gesamtüberschreitung. Vorne links die Vordere Platteinspitze, von der das nächste Foto aufgenommen wurde.
Seit unserer Weihnachtstour 2016 auf die Vordere Platteinspitze war ich im Bann dieses Anblicks: die Heiterwand, eine der mächtigsten Felsmauern der Nördlichen Kalkalpen und geologisch eng verwandt mit dem Mieminger Gebirge. Die Gesamtüberschreitung der Heiterwand ist eine ernste Angelegenheit mit Kletterei bis zum IV. Grad. Der Hauptgipfel soll da schon deutlich leichter sein und zudem sehr schönen Fels bieten - die Frage des idealen Zugangs zur Heiterwandhütte hat mich im Vorfeld allerdings etwas beschäftigt.
Während der Westteil der Heiterwand über das Hahntennjoch gut erreichbar ist, liegt der Ostteil mit der Heiterwandhütte abseits von Fahrstraßen. Es ist ein mehrstündiger Zustieg einzuplanen, entweder von Obtarrenz übers Alpeil oder von Nassereith über das Tegelstal, wer will kann das Ganze auch mit dem MTB beschleunigen. Ich mach's ohne MTB und plane den Zustieg von Obtarrenz (1.018m) über das Reisenschuhjoch (Sonne am Morgen) und Abstieg übers Alpeil (Sonne am Nachmittag, am Ende fast kontraproduktiv), somit als Umrundung des vorgelagerten Rauchbergs, alleine dieser Teil ohne Besteigung der Heiterwand sind fast 20 Kilometer. Ich kam heute nicht aus den Federn und starte mit Trailrun-Schuhen erst um 6:30 Uhr.
Anfangs am Forstweg hinauf zum Sinnesbrunn. Die Angaben auf den diversen Wegweisern lassen mich etwas schlucken, bis zur Heiterwandhütte, dem eigentlichen Startpunkt des Anstiegs zur Heiterwand, sollen es 4,5h sein. Tatsächlich geht das bei flottem Gehtempo aber deutlich schneller, ich war um 9:00 Uhr bei der Hütte.
Etwa 50 Minuten brauche ich bis Sinnesbrunn (1.520m).
Ich umrunde den Rauchberg gegen den Uhrzeigersinn. Oben das Sinnesjoch (2.273m), östlicher Eckposten des Rauchbergs.
Wunderschönes Wandern am frühen Morgen bei noch angenehmen Temperaturen. Rechts das schnuckelige Sinnesegg, im Hintergrund der Tschirgant (2.370m). Dieser Berg war einer der Startpunkte meiner "Bergkarriere".
Vorbei an einer Jagdhütte (1.670m).
Kurz nach der Hütte öffnet sich auf einmal dieses gigantische Panorama nach Osten auf den Wannig (2.498m), links davon die Zugspitze (2.962m). Ich bin am östlichsten Punkt der Rauchberg-Umrundung.
War bisher kaum in den Lechtalern unterwegs und bin schwer beeindruckt von der Landschaft. Nächste Etappe: hinauf zum Reisenschuhjoch (2.054m), der grasigen Scharte links der Bildmitte. Rechts der Alpleskopf (2.258m), ein einfacher, allseits gepriesener Aussichtsberg, den ich mir im Herbst einmal anschauen muss.
Am Weg zum Joch, ich passiere einsame Kare nördlich von Sinnesjoch und Rauchberg.
Schöner Wanderweg zum Joch. Kein Mensch unterwegs.
Blick vom Joch nach Osten Richtung Holzleitensattel, Mieminger Plateau und Inntal.
Vom Reisenschuhjoch (2.054m) - für mich 1:45h ab Obtarrenz - hat man erstmal freien Blick auf die mächtige Heiterwand. Manchmal spürt man, dass ein Moment ein richtiges Highlight ist - das war so ein Moment.
Der gemütliche Aufstieg hinauf zum Alpleskopf, den ich heute aber auslasse, die Tour ist noch weit.
Das nächste Teilstück ist der Abstieg in die Senke und der Gegenanstieg hinüber zum Grubigjöchl.
Am Jöchl steht die Heiterwandhütte in toller Lage.
Den Abstieg vom Reisenschuhjoch hatte ich vorher gar nicht recherchiert. Steil, unangenehm rutschig und mit langen Ketten gesichert.
Im Nachhinein ist der Abstieg nicht schwierig, aber unangenehm. Es ist definitiv kein kindertauglicher Touristenweg. An einer Stelle ist der Steig komplett erodiert, was man etwas mühsam umgehen kann.
Man verliert etwa 200 Höhenmeter und steigt 150 Höhenmeter zum Grubigjöchl auf.
Im Norden das Tegelstal, hier würde man von Nassereith heraufkommen. Mich erinnert das Gebiet etwas an die Region um den Achensee.
Nun hält man sich entlang der Südflanke der Heiterwand hinauf zur ...
... Heiterwandhütte (2.020m), die ich etwas nach 9:00 Uhr erreiche. Eine Einheimische gibt mir Tipps zur richtigen Route.
Von der Hütte präsentiert sich die Südflanke als Gemisch aus Schrofen und Rinnen. Ich wusste, dass man einen Schuttkegel hochsteigen muss zu einer Rinne. Auf diesem Bild ist es der wenig sichtbare Schuttkegel links der Bildmitte. Wegweiser oder Markierungen finden sich hier nirgendwo.
Pfadspuren führen ein Stück nach Westen. Herrliche Landschaft - vorne links die Vordere (2.562m) und Hintere Platteinspitze (2.723m), davor der niedrigere Kienberg (2.218m).
Wie schön es hier ist. Wenn man bedenkt, was jetzt im Hochsommer auf den überlaufenen Hot Spots los ist.
Kurz mühsam den Schotter rauf, dann umsatteln auf die klettertauglichen Bergschuhe und hinein in den schönen Fels.
Kraxelspaß bis I.
Nach der ersten Rinne schrofig weiter (bis max. T5).
Es folgt eine rinnenartige Verschneidung (II-).
Darüber wieder schrofig bis zur ...
... Grathöhe, die man bei einem großen Steinmann erreicht. Herausragender Blick nach Osten zur Zugspitze und den Miemingern. Drüben der Ostgipfel, ich beschließe aber zuerst einmal westlich zum Hauptgipfel hinaufzusteigen.
Bester Fels wartet am Ostgrat zum Hauptgipfel, dessen Aufbau bereits rechts hinten zu sehen ist.
Tiefblick zur Heiterwandhütte.
Zuerst einige Stellen I, nie brisant, alles im Genussbereich.
Ab und an ein Steinmann, die grundlegende Orientierung ist klar.
Zwei kleine Abschwünge II, hier einer davon im Rückblick, nimmt man eher nordseitig. Ich bin zuerst zuweit unten südlich herumgegondelt.
Besser können die Verhältnisse nicht sein. Warm und windstill auf über 2.500m.
Blauer Himmel, weißer Fels, nur ich und der Berg - das wiegt alles oft Entbehrungsreiche am Bergsteigen auf.
Geniale II+ Stelle, sofern man diese an der Kante nimmt, könnte auch südlich umgangen werden.
Dann geht der Grat in Gehgelände über und leitet hinüber zum Gipfelkreuz ...
... des Heiterwand-Hauptgipfels (2.639m)
Der Ostgrat ist nicht besonders lang, ich brauche trotz 2 kleiner Verhauer nur 35 Minuten ab der Scharte, insgesamt ca. 1:30h von der Heiterwandhütte und etwas über 4h von Obtarrenz.
Der Hingucker schlechthin: der Heiterwand-Grat - eine alpinistische Unternehmung für Könner (UIAA IV).
Ist ein weiter Weg rund um das Massiv des Rauchbergs (2.480m).
Tiefblick ins Alpeiltal, durch das ich später die Runde um den Rauchberg komplettieren werde. Dahinter erkennt man die gelegentlich hörbare Hahntennjoch-Paßstraße.
Das Zeitbudget haut noch hin, und weil's so schön ist werde ich den Ostgipfel anhängen.
Also wieder retour zu Scharte.
Schönes Abklettern, in der Gegenrichtung mit erheblich mehr Tiefblick in die Nordseite.
Endlich einmal kein Bruch, der einem den Nerv raubt.
Die nordseitige Umgehung, die ich beim Aufstieg übersehen habe.
Nach kaum 20 Minuten bin ich wieder beim Steinmann in der Scharte. Ich war etwas unter Zeitdruck, man kann sich natürlich auch sehr viel mehr Zeit lassen. Nun zuerst im Gehgelände nach Osten weiter.
Das Gelände zeigt noch nicht die spannenden Passagen, die Begehung dieses Gratabschnitts ist jedenfalls einen Tick anspruchsvoller.
Einfach in eine erste Scharte hinunter (I+), danach schrofig wieder rauf.
Danach der Abstieg in die zweite Einschartung (II+ am Einstieg von oben).
Vom nächsten Grathöcker sieht man erstmals den ansehnlichen letzten Abschnitt. Dieser gestaltet sich wirklich spannend und elegant.
Der Grat zum Ostgipfel ist generell etwas brüchiger. Hinunter in die dritte Scharte.
Toller Aufschwung, die ersten Meter leicht rechts in der Flanke in einem Riss. Dann an der Kante aufwärts.
Luftige Kletterei auf der Rippe (II+), nicht unähnlich dem Südgrat auf die Fallbachkarspitze.
Weiter rechts auf der Rippe, oben wechselt man nach links in eine Rinne ...
... und gelangt nach wenigen brüchigen Metern zur mit einem verrosteten Pickel verzierten Gipfelstange (2.471m). Faszinierender Blick nach Osten in die Mieminger und ins Wetterstein.
Eine knappe Dreiviertelstunde ist von der Scharte einzuplanen, der Ostgipfel ist es in jedem Fall wert. Die Belohnung ist ein toller Blick auf den Hauptgipfel und dessen Nordseite.
Ein Grat wie eine Himmelsleiter.
11:50 Uhr, um 14:00 wollte ich eigentlich zurück in Obtarrenz sein. Anstatt nochmals hinüber zur Scharte zu gehen, könnte ich doch auch diese Rinne versuchen, um zur rechts sichtbaren Hütte zu gelangen, schaut sehr gangbar aus.
Abklettern von der Gratrippe am Anstiegsweg (II+).
Durch diese brüchige Rinne abwärts.
Und dann in beliebiger Routenführung runter.
Ich bleibe etwas in der ausgewaschenen Rinne (max. II).
Und quere westlich hinüber.
Bis ich in Fallinie der Hütte auf die Schotterreise absteige.
Zurück bei der Heiterwandhütte, der Abstieg (im Bild von rechts oben bis zur Rinne in Bildmitte) hat nur 45 Minuten gedauert und war sicher bedeutend schneller als mit dem Rückweg über die Scharte (die links oben zu sehen ist).
Ein letzter Blick zum Alpleskopf und Reisenschuhjoch.
Jetzt gilt es die Runde um den Rauchberg zu vervollständigen. Dazu westlich vom Grubigjöchl hinunter ins Alpeil, bis Obtarrenz sind es ziemlich genau 1.000 hm.
Beim "Kirchl". Die Sonne brennt erbarmungslos runter.
Markierter Steinmann, doppelt hält besser.
Mächtige Schotterreisen unterhalb des Schafkopfs, dem westlichen Eckpfeiler des Rauchbergs.
Auch hier ist der Steig zum Teil stark erodiert, nach unten hin wird's besser.
Rückblick auf 600 eher monotone Höhenmeter, ich bin froh, dass ich die Runde gegen den Uhrzeigersinn gegangen bin.
Im Alpeil auf ca. 1.400m. Nach rechts zweigt der Steig hinauf zum Kratzersattel ab, ein Teil des langen Heiterwand-Südwandsteigs.
Ein letzter Blick auf die Südflanke des Heiterwand-Hauptgipfels.
Entlang des Bachbetts hinaus zur "Stiege".
Die "Stiege" führt mit einigen Dutzend Höhenmetern Gegenanstieg aus der Schlucht hinaus. Die Steiganlage ist am Verfallen und die Versicherungen nicht mehr uneingeschränkt vertrauenswürdig.
Die letzte halbe Stunde gilt's den monotonen Hatscher am Forstweg durch den Kalfesinerwald zu überstehen.
Dank der Trailrun-Schuhe laufe ich bei brütender Hitze das meiste und komme fast pünktlich um 14:15 Uhr beim Sportplatz in Obtarrenz an. Eine in jeder Hinsicht atemberaubende Runde, die sich in die Top-Touren des Jahres 2018 einreiht. Das Gebiet war mir bisher unbekannt, nun hat das Karwendel einen ernsthaften Konkurrenten bekommen :)
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