Spitzkarlspitze (Spritzkarkopf)

2374 Meter

Karwendel

15. September 2019

Autor: Jürgen

Mit auf Tour: Holger

 

Beschreibung:

Abenteuertour im Vomperloch auf einen wenig begangenen Seitengrat des Karwendel-Hauptkamms: Umlberg (890m) - Ganalm (1.190m) - Kristalpl / Vomperloch (970m) - am Steig Richtung Halleranger bis nach dem Ödkarbach (ca. 1.120m) - Ödkarl-Brennten (1.540m) - östlicher Südgrat - Spitzkarlspitze (2.374m) und am selben Weg zurück.

 

Der geplante Weiterweg zur Eiskarlspitze mit Rückweg über das Ödkarl blieb uns verwehrt, da bei zwei hintereinanderfolgenden ca. 5m hohen Abbrüchen unmittelbar hinter der Spitzkarlspitze für uns Endstation war. Die Bewertung II lt. AVF können wir nicht nachvollziehen. Wir hätten entweder am brüchigen Grat sehr exponiert abklettern oder tief umgehen müssen und der Weiterweg erschien nicht zuletzt aus Zeitgründen unsicher.

 

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T6/III)

Wie jede Unternehmung im Vomperloch sehr langwierig. Stellen III am östlichen Südgrat, über weite Strecken exponiert. Die Abbrüche hinter dem Gipfel der Spitzkarlspitze schwieriger als II. Der (ungeplante) Rückweg ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.

 

Dauer: 12:15 Stunden

Höhenmeter: 2.160 Meter

 

Parkplatz:

Umlberg. 

 

Einkehrmöglichkeiten:

Ganalm

 

Landschaft:  ********** (10/10)

Kondition:      ********* (9/10)

Anspruch:       ********* (9/10)



'It's the end of the world as we know it': auch wenn der Text von REM von etwas anderem handelt, so kann man diese Zeile sinnbildlich für das nehmen, was einen bei Touren in das weltferne Vomperloch erwartet. Der Besteigung der Spitzkarlspitze (in Karten auch als "Spritzkarkopf" bezeichnet) ist uns geglückt, jene der Eiskarlspitze nicht. Scheitern gilt es bei solchen Unternehmungen einzukalkulieren, auch wenn das in diesem Fall mit vielen Stunden Rückweg verbunden war.

 

Zur Orientierung unser Plan: Anstieg über das Ödkarl-Brennten und den östlichen Südgrat zur Spitzkarlspitze, von dort weiter zur Eiskarlspitze und über das Ödkarl wieder herunter. Foto vom Juni 2019.

 

6:00 Uhr, Holger und ich radeln im Dämmerlicht vom Umlberg Richtung Ganalm.

 

Famos ragt sie auf auf der anderen Seite des Vomperlochs auf, die Huderbankspitze (2.319m). Letztes Jahr bin ich von der Huderbankspitze über den Kaiserkopf zum Hochglück. Unser Seitengrat liegt noch verdeckt dahinter. Ganz im Westen die Hochkanzel (2.534m) bereits mit ersten Sonnenstrahlen. 

 

Um zum Ödkarl, dem eigentlichen Einstieg der Tour, zu kommen, müssen wir von der Gan 250 Höhenmeter über den abenteuerlichen Kristalpl-Steig hinunter.

  

Das Vomperloch, der 'Grand Canyon Tirols'. Hinten beim Überschalljoch tritt man in den schönen Halleranger über.

 

Nach 1:20h sind wir beim Bach und somit fast wieder so tief wie am Ausgangspunkt. Die Feuchtigkeit erfordert am schmalen, teils ausgesetzten Steig erhöhte Konzentration, auch die kleine Brücke ist meist recht rutschig - Vorsicht also bei den paar Metern wo der Handlauf weggebrochen ist. 

  

Auf der anderen Bachseite hinauf in den Knappenwald bis man auf den Steig trifft, der das Zwerchloch mit dem Hallerangerhaus verbindet. Der Weg verläuft in einem leichten Auf und Ab und ist teils versichert.

 

Abstieg zum Ödkarlbach - wo ist die Brücke hin? Man kommt so aber auch gut rüber.

 

Einblick in den engen Canyon.

 

Um kurz nach 8 Uhr beginnt Neuland für uns. Am markierten Steig hätte man nicht mehr weit zur 'Au', wo sich das Loch zu einem Tal weitet, siehe Bericht meiner Tour auf die Spritzkarspitze. Wir suchen aber rechterhand den Jagdsteig, den wir bei einem Graben gut ausmachen können. Steinmann oder Markierung sehen wir aber keine und belassen es auch dabei. Wer hier einsteigt, sollte wissen was er tut: der AVF veranschlagt 5h für den Anstieg auf die Eiskarlspitze über das Ödkarl bzw. 4h für unser erstes Ziel, die Spitzkarlspitze über deren östlichen Südgrat. Zu diesem Zeitpunkt waren wir uns noch sicher, dass wir den Weiterweg zur Eiskarl packen würden.

 

Die ersten 200 Höhenmeter sind wir im Laubwald unterwegs, dann hinein in den Latschengürtel. Hinten die Nordseite des Bettelwurf-Massivs mit dem versteckten Bockkarl.

 

Auf der anderen Talseite oben der Hundskopf (2.248m). Unzählige Male bin ich schon da oben gesessen und habe sehnsüchtig auf die einsamen Ziele im Vomperloch geschaut. Heute ist es endlich wieder einmal soweit.

 

Nach etwas Gesuche finden wir den teilweise passabel ausgeschnittenen Jagdsteig. Mal so ... 

 

.. mal so. Hier kann man ganz schön Kraft und Nerven liegen lassen.

 

9:00 Uhr, wir kommen zum Ödkarl-Brennten auf 1.520m - eine jahrzehntealte Brandfläche.   

 

Erste leichte Zweifel über die Machbarkeit des heutigen Vorhabens beschleichen uns beim Tiefblick in das Ödkarl. Aus diesem kommt man nur mit einem Gegenanstieg von ca. 200 Höhenmeter heraus. Wo genau dieser Weg verläuft war nicht erkennbar, angeblich hängen alte Drahtseile herum (diese Formulierung steht so schon in der ersten Ausgabe des AVF von 1953!). Wir müssten dann den ganzen Zirkus zurück ins Vomperloch und hinauf zur Gan, daher fassen wir als Alternative einen Abstieg in die Eng oder eventuell in die Gramai ins Auge.

 

Ab dem Brennten erschließt sich in der Weiterweg in logischer Weise. AVF: "aufwärts zu den Felsen des S-Grates, der über mehrere Gratköpfe emporzieht und das Spitzkarl östl. begrenzt". Ein sehr brauchbare Latschengasse führt über rd. 300 Höhenmeter an den östlichen Südgrat heran.

 

Das sind Highlight-Touren, auf die ich mich das ganze Jahr über freue.

 

 Urtümliche Felsformationen. 

 

Recht bequem kommen wir höher, teilweise leichtes Kraxeln.

 

Endstation der Wanderung bei dem im AVF erwähnten Plattenaufschwung auf 1.900m. Direkt IV oder wie wir ... 

 

... Umgehung links über ein schmales Band (III-). 

 

Darüber anhaltend II ... 

 

... im steilen, aber gut strukturierten Gelände.

 

Wieder stehen wir bei einer Platte an und umgehen "auf gutem Band" links.

 

Genialer Blick hinüber zur Walderalm und in die Tuxer. So nah an der Zivilisation und doch so fern.

 

Nach dem Band ein erster Blick hinauf zur Spitzkarlspitze, danach nach rechts durch Latschen zurück zum Grat. 

 

Gut machbar, aber die Geschwindigkeit bleibt zwangsläufig gedrosselt.

 

Holger kämpft mit einem Latschenfeld. Wir überschreiten die 2.000m Marke, es ist 10:30 Uhr.

 

Der Grat prägt sich aus, hier umgingen wir gleich links.

 

Huderbankspitze im Profil. Ganz klein ist unterhalb des Walderjochs der Wiesenfleck der Ganalm zu erkennen. Die Distanzen sind vor dem Hintergrund des zwangsläufig niedrigen Tempos schon bemerkenswert.

 

Der umgangene Turm.

  

Eine zerrissene Schneide folgt (III).

 

In dem Moment dachte ich mir "fein, da muss ich eh nicht mehr runter".

 

Weil wir eben weiter davon ausgingen, entweder durch das Ödkarl da unten oder, sollte es zu spät werden, nach Norden absteigen wollten.

 

Wir nähern und der Spitzkarlspitze, rechts der Südgrat der Eiskarlspitze der ja deutlich weniger anspruchsvoll auf den Hauptkamm leiten sollte.

 

Abklettern (III-).

Über dem westlichen Südgrat der Spitzkarlspitze taucht wieder die Hochkanzel auf, links der Gr. Bettelwurf (2.726m) mit seiner gewaltigen Nordwand, mittig die Lafatscher (2.696m).

 

Etwas Gehgelände.

 

Wir treten an den Gipfelaufbau heran. Die Ostwand durchsteigen wir durch diese "seichte Verschneidung". 

 

Traumhafter IIer.

 

Das letzte Stück brüchig, aber unschwierig. 

  

Geschafft - auf der Spitzkarlspitze (2.374m) um punkt 12:00 Uhr, nach exakt 4h aus dem Vomperloch. Mittagsläuten hört man hier mit Sicherheit aber keines. 

 

Karwendel, du unglaubliche Schönheit! Blick nach Westen über das riesige Spritzkar zur Grubenkarspitze (2.663m), davor unscheinbar die selten besuchte Plattenspitze (2.492m).

 

Gut gelaunt und scherzend machen wir uns um 12:30 Uhr auf den Weiterweg. Ein IIer und ca. 1h bis zur Eiskarlspitze lt. AVF sind nach der bisherigen Strecke wohl kaum ein Problem. Danach den Ostgrat runter und via Hochglückscharte ab in die Eng, im Geiste sitzen wir schon beim Weizenbier.

 

Eine Minute später, ällabätsch: es geht 5m senkrecht abwärts, dahinter gleich noch ein Abbruch. Direkt an der Kante no way, rechts davon wäre es klettertechnisch denkbar, aber sehr brüchig und ein Griff-Ausbruch mehr als fatal.

 

Rechts geht nach etwas Sondieren gar nichts, daher links tiefer abgestiegen. Ein Weg in der Flanke erscheint uns nur mit stark erhöhtem Risiko möglich. Oben die beiden Abbrüche. Ich sehe hier viel, aber keinen IIer und kein "unschwierig" wie in diesem einzigen uns bekannten Bericht (@Westfale, wenn du das hier liest: wie habt ihr diese Stelle gemeistert?).

 

Noch tiefer könnte man die Umgehung wohl packen, aber wie danach weiter? Und schaffen wir das zeitlich? Nach mehr als einer halben Stunde Probieren und diversen Griff- und Trittausbrüchen in heiklem Terrain brechen wir ab.

 

Holger holt die Drohne raus und fliegt den Grat ab. Mitte links die hohen Abbrüche, wir sehen nirgends eine brauchbare Route. Ein bisschen betroppezt sind wir jetzt schon, weil wir alles retour müssen.

 

Hilft nix, da wieder runter. 13:15 Uhr, 6 Stunden haben wir raufgebraucht, viel weniger werdens in die Gegenrichtung nicht sein. Der Weg durch das Ödkarl wäre sicher schneller gewesen.

 

Kein Zuckerschlecken.

 

Scheitern ist Teil des Bergsports. Die erste Enttäuschung verfliegt schnell und wir fokussieren uns neu auf die nun geänderte Aufgabe.

 

Abklettern im IIIer Gelände. Kalt ist uns zumindest nicht.

In der Steilflanke des Südgrats, mit Routenkenntnis sind wir doch schneller unterwegs als gedacht.

 

Punkt 15:00 überwinden wir die letzte Plattenstelle, ab nun wieder im Gehgelände.

 

Ab hier ist es "nur" mehr weit und nicht mehr anspruchsvoll. Die Enttäuschung vom Gipfel weicht wieder der Begeisterung über die Umgebung. 

 

Langsam werden die Schatten länger.

 

Ödkarl, wir sehen uns dann wohl nächstes Jahr.

 

Am Ödkarl-Brennten.

  

Abstieg.

 

Abwärts fiel uns die Orientierung leichter. 

 

Wir haben uns dann gleich Richtung Ödkarbach gehalten, kleinen Verhauer inklusive, dann weglos den sehr steilen Bergwald runter. Auf keinen Fall zu nahe an die Schlucht herantreten. 

 

16:30 Uhr, bei der Ödkarbachmündung. Ohne Rast- und Probierzeit am Gipfel 4h rauf und 3h runter, mehr gibt das Gelände kaum her.

 

Entlang des offiziellen Steigs zurück zum Kristalpl, auch nach über 10h on Tour konzentriert bleiben.

 

250 Höhenmeter Gegenanstieg, die tun zum Schluss immer etwas weh.

 

Bikes aus dem Gebüsch geholt ...

 

... und via Ganalm nach Umlberg hinausgerollt, wo wir um 18:15 Uhr ankommen. Das Vomperloch hat uns heute wieder einmal mehrere Gesichter gezeigt: faszinierend, wild, herausfordernd. Wir kommen wieder!

 


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Kommentare: 8
  • #1

    Westfale (Mittwoch, 06 November 2019 22:13)

    Servus, also ich rätsele gerade, was dort das Problem gewesen sein könnte. Ich denke Ihr habt einfach etwas übersehen. Kann mich beim besten Willen an keine überaus schwierige oder heikle Passage nach dem Gipfel der Spitzkar erinnern. Das hätte sich sicherlich eingebrannt..
    Auch die Durchsicht meiner Fotos bringt hier leider keine Klarheit, sorry.
    Hoffe, andere Wiederholer bringen Licht ins Dunkel.
    Beste Grüße aus Regensburg!

  • #2

    Jürgen (Donnerstag, 07 November 2019 14:58)

    Servus, mysteriös, mysteriös... Außer dem Grat selbst hat sich nicht wirklich etwas angeboten, aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ihr die besseren Kletterer seid :) Besten Dank für die Rückmeldung!

  • #3

    Westfale (Dienstag, 17 Dezember 2019 22:02)

    Danke fürs Lob. Seilfrei im IIIer Gelände denke ich sind wir da schon auf einem Level ;-) Wie gesagt, ich kann es mir nur so erklären, dass wir einen Abbruch frühzeitig umgangen haben könnten, oder es irgendwo eine Alternative gab. Frohes Touren noch! Ich surfe ab und an mal vorbei, auf der Suche nach neuen Ideen..

  • #4

    Wagemut (Mittwoch, 22 Januar 2020 20:58)

    Servus,

    ich rätsele ebenfalls. Nach eurem Drohnenfoto zu schließen, würde ich davon ausgehen, dass wir damals in der Ostflanke abgestiegen sein müssen. Wir hatten an diesem Tag ja einiges vor und da verschwimmt die Erinnerung bei den Details. Ich kann mich wie Westfale nicht erinnern auf Stellen schwerer als II gestoßen zu sein, wie es ja auch der AV-Führer angibt. Jedenfalls habt ihr einen guten Grund, wiederzukommen. :-) Wenn ihr beim nächsten Versuch einfach früher startet und vielleicht wie wir von der Karwendelrast losgeht (evtl sogar ein Stück radelt), dann habt ihr nachher bei der Routenfindung mehr Zeit. Meine Erfahrung ist, dass an manchen Tagen auch einfach der Wurm drin ist. An einem anderen Tag hättet ihr die Route vielleicht ohne Probleme gefunden. Aber auch ohne die Eiskarlspitze war es ja eine ausgewachsene Tour! :-) Ich wünsch Euch weiterhin viel Spaß bei Touren im "urweltlichen Gebirg".

    Viele Grüße,

    W.

  • #5

    Michel (Montag, 07 September 2020 23:47)

    Servus,
    ich bin eben durch Zufall auf Eure (sehr schöne!) Tourenbeschreibung gestoßen und erinnere mich daran, dass mir vor einigen Monaten eine Zufallsbekanntschaft erzählt hat, dass der Grat hinter der Spitzkarlspitze seiner Ansicht nach aufgrund einiger Abbrüche schwerer geworden sei. Vielleicht erklärt das Eure Probleme.

    Viele Grüße
    Michel

  • #6

    Florian (Samstag, 07 August 2021 20:56)

    also bin heute den 7. August 2021 von der Eiskarlspitze über den Südgrat runter zur Spitzkarlspitze (Spritzkarkopf) und habe diese Stelle die euch so gefuxt hat gut durchklettern können, meiner einschätzung war das II+, man muss nur weit genug runter klettern, bin westlich schätze so 40 Höhenmeter runter geklettert und konnte eigentlich problemlos dann auf den Spritzkarkopf aufsteigen. ich glaube da war bei euch an diesem Tag wirklich der Wurm drinn.

  • #7

    Jürgen (Mittwoch, 25 August 2021 12:50)

    Hallo Florian, die erwähnte westliche Umgehung bestätigt unsere Vermutung. Vielleicht lagen bei uns nach den vielen Stunden tatsächlich schon die Nerven blank und wir haben uns zuviel von der Ungewissheit des Weiterwegs beeindrucken lassen.
    Gruß

  • #8

    Florian (Montag, 30 August 2021 08:39)

    ihr habt euch vielleicht zu viel oben herum konzentriert, im bereich der rinne die dort westlich runter führt kann man gut durchkommen und dann wieder an den grat richtung eiskarlspitze andocken, gruß