Rauher Knöll

2278 Meter

Karwendel

29. August 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Start bei der Bärenrast / Jht. Hinterwies (1.020m) und mit Bike in das Stallental. An der Stallenalm (1.340m) vorbei zur Graf-Thun-Jagdhütte (1.410m). Am Steig oberhalb des Grubachgrabens aufwärts und kurz vor dem Lunstsattel auf ca. 1.800m zur Schotterreise am Fuß des NO-Grats. Nicht zum Grat, sondern auf Steigspuren über den Graben und Einstieg in die Ostflanke. In der unübersichtlichen Ostflanke über diverse Aufschwünge und längere Querungen zum NO-Grat. Man erreicht den Grat etwas unterhalb des letzten Grataufschwungs und weiter zum Gipfel (2.278m). Ab- wie Aufstieg. 

 

Die Ostflanke ist neben der Westflanke, dem SW- und dem NO-Grat eine von zumindest vier verschiedenen Routen auf den Gipfel. Vom Stallental aus lässt sich der Rauhe Knöll via Lamsenjochhütte und Gramai auch ohne Gipfelbesteigung umrunden. 

 

Schwierigkeitsgrad: schwierig (T5/II)

Die Schwierigkeiten fangen beim Einstieg in die Ostflanke an und bestehen vor allem in der Unübersichtlichkeit des Geländes sowie in der extremen Brüchigkeit des Gesteins. Trittsicherheit und gutes Orientierungsvermögen sind elementar, Wegspuren und Steinmänner o.ä. gibt es nur in homöopathischen Dosen.

 

Dauer: 5 Stunden

Höhenmeter: 1.190 Meter

 

Parkplatz:

Bärenrast nahe der Jht. Hinterwies.

 

Einkehrmöglichkeiten:

keine - Stallenalm derzeit geschlossen (August 2018)

 

Landschaft:  ********* (9/10)

Kondition:           ***** (5/10)

Anspruch:      ******** (8/10)



Am Rauhen Knöll (2.278m), dem brüchigsten Berg im Karwendel, den ich kenne. "Von keiner Seite leicht", sagt der AVF - das stimmt. Die Schwierigkeiten liegen aber nicht im klettertechnischen Bereich, sondern in der Qualität des Untergrunds: Bruch und Brösel, und das üppigst. 

 

Früher morgen, Start im Stockdunklen bei der Bärenrast (1.020m) oberhalb von Fiecht. Mit Bike und Stirnlampe am Forstweg hinauf ins Stallental, langsam erwacht der Tag (und ich auch).

 

Kurz vor der Stallenalm baut sich der Rauhe Knöll auf, die namensgebende wuchtige Gestalt der Rauhen-Knöll-Verzweigung im östlichen Karwendel. Links geht es hinauf zur Lamsenjochhütte (siehe meine Laufrunde um den Knöll) sowie zur Lamsenspitze. Ich halte mich rechts. 

 

Die Stallenalm auf 1.340m ist leider seit 2017 geschlossen, ich hoffe es findet sich bald wieder ein Pächter für diese urige Almwirtschaft. Das Stallental ist eines der schönsten Karwendeltäler und zudem sehr gut aus dem Inntal erreichbar. 

 

Ein bisschen quäle ich mich noch auf einem Karrenweg weiter zur Graf-Thun-Jagdhütte (1.410m). Ab hier zu Fuß weiter.

 

Vorbei an den sehenswert erodierten Hängen beim Grubbachgraben. 

 

Der Rauhe Knöll rückt näher. Ich will bis fast hinauf zum Lunstsattel. 

 

Wo der Steig rechts hinauf zum Rizuelhals abzweigt, geht es ohne Wegweiser geradeaus weiter zum Lunstsattel. Auf meiner Skitour zum Lunstkopf letzten Jänner war hier alles bestens eingeschneit. 

 

Ca. 100 Höhenmeter unterhalb des Lunstsattels verlasse ich den Steig und visiere die kleine Schotterreise an, die zu den Latschen in Bildmitte hinaufführt. 

  

Sonnenaufgang über dem Brentenkopf (2.024m) an einem wunderbaren Spätsommertag. 

 

Steil hinauf bis zu den Felsen, dann links in Richtung Ostflanke halten. Lt. AVF gäbe es auch eine Route direkt über den Nordostgrat (III), der Anstieg durch die Ostflanke soll etwas leichter sein (II).  

 

Rückblick auf den "gemütlichen" Teil, denn ... 

 

... ab sofort wartet Bruch und Brösel vom Feinsten. 

 

Die erste Herausforderung: über das obere Ende des stark erodierten Grubachgrabens drüber.

 

Einstieg über noch relativ festen Fels. 

 

Hinauf zu einer Rinne, teilweise kletterbar (I), man hält sich linkerhand in Richtung des bewachsenen Rückens. 

 

Morgenstimmung über dem Stallental. 

 

Bis hierhin war die Orientierung noch leicht. Nun aber, hmm, wie geht's hier weiter? Steinmänner suche ich vergebens, eindeutige Wegspuren ebenso. Kein Wunder, gehen doch lt. Gipfelbuch kaum 10 Leute pro Jahr diese Route.  

 

Also: der Spürnase nach. Ab hier beginnt der sehr brüchige Teil, ein Balanceakt über 300 Höhenmeter zum Gipfel. 

 

Hier weiter? Probieren geht über Studieren. 

 

Eine Stelle, die man als "Klettern" bezeichnen kann (II). 

  

Wie auf Millionen rohen Eiern weiter aufwärts. Wer seine Trittsicherheit perfektionieren will, ist am Knöll richtig!

 

Nach der ersten Querung folgt wieder etwas Gehgelände auf einem grasbewachsenen Rücken.  

 

Drüben der Nordostgrat, wenn der auch so brüchig ist wie die Ostflanke, ist der IIIer wohl kein Spass. Im Hintergrund taucht links das Sonnjoch (2.457m) und daran anschließend der lange Grat zwischen Schaufelspitze (2.306m) und Falzthurnjoch (2.150m) auf. 

 

Am oberen Ende des zweiten grasbewachsenen Rückens. 

 

Nun folgt eine weitere, längere Querung nach rechts. Ziel ist der Felskopf etwas rechts der Bildmitte. 

 

Was für ein Bruchhaufen! Immer hart am Felsen entlang, um einen Rutscher abfangen zu können. 

 

Leicht ansteigend weiter queren, möglichst die stabileren Felsrippen ausnützend.

 

Irgendwann hab ich genug vom Brösel und checke die Wände oberhalb von mir. Hier dürfte es einen halbwegs stabilen Durchschlupf geben, also da rauf (II). 

 

Rückblick auf die zweite, lange Querung. Eine exakte Routenbeschreibung erübrigt sich, man muss vom Felsvorsprung oberhalb der Bildmitte durch die gesamte Flanke ansteigen. 

 

Schließlich erreiche ich nach einer weiteren kleinen Querung kaum 50 Höhenmeter unterhalb des Gipfels den Nordostgrat. Die Gipfelfelsen nehme ich direkt (II). 

 

Danach ist's nur mehr ein Katzensprung. 

 

Auf dem Rauhen Knöll (2.278m). Trotz des unglaublichen Brösels ein toller Berg! Im Hintergrund der sanfte Rücken des Lunstkopfs (2.143m), dahinter Rappen- (2.223m) und Kaserjochspitze (2.198m)

 

Das Anstiegsgelände. Jetzt verstehe ich, warum trotz der Nähe zum Inntal kaum jemand hier hoch will. 

 

Das alte Gipfelbuch ist auch noch hier. Für etwas Betrieb sorgt die nicht allzu weit entfernte Lamsenjochhütte, einige steigen auch durch die Westflanke von der Gramai auf. 

 

Südwestgrat hinüber zur Schneiderkarscharte und weiter zur Lamsenjochhütte (II/III), rechts dahinter die mächtige Lamsenspitze (2.508m)

 

Die "einladende" Westflanke, soll aber der leichteste Anstieg sein (I/II). 

 

Vorne rechts das östliche Ende der Vomperkette mit Vomper Joch und Fiechter Spitze (2.299m).

 

Natürlich würde mich die Überschreitung hinüber zur Lamsenjochhütte reizen, aber das liegt heute außerhalb meines Zeitbudgets. Ich steige also wieder etwas über den Nordostgrat ab. Tief unten das Falzthurntal mit der Gramai, auch ein möglicher Startpunkt für den Knöll. 

 

Angestiegen bin ich links mit kleiner Kletterei über die Felsen und oben zum Grat gequert, jetzt steige ich weiter unten in die Flanke ein. 

 

Von oben betrachtet ein ziemlicher Fleischwolf. Der Abstieg war problemlos zu meistern, man gewöhnt sich mit der Zeit an das Terrain, muss aber konzentriert bleiben. 

 

Nach der langen Querung - ich habe mich immer entlang der Felsen gehantelt - geht's wieder den grasbewachsenen Rücken runter. 

 

Typisches Bild: auf Band entlang einer Wand, jeder Schritt ist vorsichtig zu setzen und jeder Griff sorgfältig zu prüfen. Der Knöll ist irgendwie anders, trotzdem - oder gerade deswegen - finde ich ihn extrem spannend. 

 

Nach dem ersten Grasrücken und der zweiten, kürzeren Querung (wie oft habe ich jetzt bereits das Wort "queren" verwendet?) ein etwas kniffliger Abstieg, da steiler und abschüssiger als oberhalb. 

 

 

Landschaftlich ein Traum, diese Ecke. 

 

Den unteren Grasrücken runter ... 

 

... und dann über den Graben drüber, manche würden dazu "Ekelgelände" sagen. Es gilt den Durchschlupf in der linken oberen Bildecke zu erreichen, danach hat man wieder festen Boden unter den Füßen. 

 

Abstieg über die Schotterreise und durch Latschengassen und retour zum Steig. 

 

Die 500 Höhenmeter sind schnell abgespult. Die Niedernissltürme mit ihren beeindruckenden Scharten lachen herüber. 

 

Mit dem Bike ist der Rückweg zur Bärenrast ein Klacks. Nochmals Blick zurück auf den eindrucksvollen Knöll - rau und unübersichtlich. Für das nächste Mal nehme ich mir den Anstieg von der Lamsenjochhütte über das Schafjöchl (2.157m, links im Bild) und den Südwestgrat vor. 

 


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Kommentare: 4
  • #1

    rainer (Donnerstag, 30 August 2018 20:59)

    Servus Juergen, klassisch schlechter Fels zum Bergsteigen, verwitternder Hauptdolomit fallweise Raibler-Schichten, das macht den "Knearl" aus.
    "Brösel" ist nicht gleich Brösel und eigentlich ein Schimpfwort für altehrwürdige geologische Schichten, das muß ein Bergsteiger zu unterscheiden wissen :-)
    Interessant deine Route, über den Nordgrat ging es nicht besser als in der Flanke? Das Bild nach dem Gipfelfoto würde einen interessanten Grataufstieg zeigen scheint mir?
    Berg Heil!

  • #2

    jürgen (Freitag, 31 August 2018 14:48)

    Hallo Rainer, aus Geografen-Sicht ist die Bezeichnung "Brösel" oder "Bruch" zwar unwissenschaftlich, aber beim Knöll durchaus zulässig ;) Der Nordgrat ist eine der beschriebenen Routen im AVF, die Bewertung III lässt mich bei der schlechten Felsqualität an meine schlechten Erfahrungen an den Fleischbanktürmen zurückdenken... die Ostflanke hingegen ist nicht besonders schwierig und werde ich bald einmal mit dem SW-Grat von der Lamsenjochhütte kombinieren! Gruß

  • #3

    stefan gordon (Mittwoch, 05 September 2018 20:29)

    Hallo Jürgen, der SW-Grat ist im Abstieg = Übergang zum Schafjöchl empfehlenswerter, da dann eine extrem brüchige, ungute Passage im Aufstieg gemacht werden kann - abklettern möchte ich die nicht: nach dem langen, leichten ersten Gratteil kommt eine kleine Scharte, aus der man in der Südseite einen Gratkopf über rotbrüchiges Gelände bis zur Hälfte ersteigen muß, dann wechselt man in die Westseite, dort nicht zu tief hinunter, sondern immer möglichst links haltend, dann durch brüchige Rinnen, meist die gratnächste benutzend zur Schneiderscharscharte hinunter. Der Aufstieg zum Schafjöchl bietet recht guten Fels, immer an der Kante, Ausstieg etwas nach rechts zum Grat. Insgesamt ist der SW-Grat noch etwas brüchiger und anspruchsvoller als die Ostflanke, allerdings ein spannender und spektakulärer Übergang.
    Lg, Stefan

  • #4

    jürgen (Donnerstag, 06 September 2018 10:47)

    Servus Stefan, habe deinen Bericht von der Knöll-Überschreitung auf Alpine Auskunft gesehen. Danke für die Zusatzinfos und die Empfehlung zur richtigen Richtung!