Speckkarspitze - Kleiner Bettelwurf

2621 / 2650 Meter

Karwendel

1. Juli 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Vom Parkplatz Sprungschanze bei Absam (780m) mit MTB in das Halltal und via Bettelwurfeck zur Sonnenbrücke (1.150m). Über den "Plattensteig" in das Speckkar (2.160m) und auf der Süd-Direttissima über den schrofigen Rücken, zuletzt felsiger auf die Speckkarspitze (2.621m). Abstieg über den zerklüfteten Grat nach Osten. Im langen Mittelteil hauptsächlich Gehgelände bis zum Signalkopf (2.504m). Weiter zum Aufbau des Kl. Bettelwurf und Anstieg über eine anspruchsvoller Steilstufe auf nordseitigen, exponierten Bändern und durch einen steilen Kamin, zuletzt ohne Schwierigkeiten zum West- und Ostgipfel des Kl. Bettelwurf (2.650m). Abstieg am versicherten Südgratsteig zur Bettelwurfhütte (2.079m). Über den "Wirtesteig" und die lange Bachrinne zur Sonnenbrücke und mit MTB zum Parkplatz. 

 

Die Tour zum Kl. Bettelwurf über den Wirtesteig hat Roman mit Rainer von spitzentreffen.at gemacht, auf dessen Seite sich viele weitere Details zu alten Halltalsteigen finden. Diesen Steig habe ich auch damals nach meiner Klettersteigtour zur Bettelwurfhütte genommen. 

 

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T5/III)

Plattensteig und Direttissima zur Speckkarspitze bis T5/I. Am Ostgrat der Speckkarspitze zerklüfteter Grat (II) mit ausgesetzter, nordseitiger Querung. Ostgrat des Signalkopfs mit ähnlicher Charakteristik (II). Aufschwung zum Kl. Bettelwurf nordseitig über gestufte Bänder (II), sehr ausgesetzter Wechsel über eine Kante auf ein schmales Band (II), finaler Aufschwung durch einen 10m hohen, fast senkrechten Kamin (III). Abstieg über Südwandsteig versichert (B/C), über Wirtesteig in der Rinne leichte Kletterei I, an zwei (umgehbaren) Stellen auch II. Die alten Steige verlangen gutes Orientierungsvermögen. 

 

Dauer: 8:00 Stunden

Höhenmeter: 2.120 Meter (geschätzt, da unzählige Auf und Abs auf den Graten)

 

Parkplatz:

Absam Sprungschanze.

 

Einkehrmöglichkeiten:

Bettelwurfhütte

 

Landschaft:  ********** (10/10)

Kondition:      ********* (9/10)

Anspruch:       ********* (9/10)



Am Westgipfel des Kleinen Bettelwurf (2.650m), im Rückblick der fast 2 km lange Grat von der Speckkarspitze. Die Hauptschwierigkeiten liegen am Anfang und Ende der Gratstrecke. 

 

Der Grat aus dem Inntal gesehen. Die heutige Tour führt mich in beinahe direkter Linie aus dem Halltal über den "Plattensteig" und die Süd-Direttissima auf die Speckkarspitze, von dort ostwärts über den Signalkopf zum Kleinen Bettelwurf. Abgestiegen wird ebenso in sehr direkter Linie über die Südflanke und den "Wirtesteig". 

 

Wie meist bei Halltaltouren: Einrollen auf der Asphaltstraße. Über das 32% steile Bettelwurfeck schiebe ich, um mich nicht gleich zu Beginn unnötig zu verausgaben. 

  

Bei der Sonnenbrücke (1.150m) schmeiße ich mein Rad in die Büsche, vorne die Hüttenspitze (1.858m). Im Nahbereich gibt's einen Einstieg in den "Plattensteig". Dieser Steig überwindet die "Platten", riesige erodierte Kahlflächen aufgrund von Bränden vor einigen Jahrzehnten, in direkter Linie.  

 

Im unteren Teil aber alles andere als kahl. Schmale Latschengassen, ein gutes Training für das Orientierungsvermögen. In jedem Fall ist die direkte Wegführung hinauf zur Speckkarspitze schneller als die weiten Umgehungen über den wiederöffneten Normalweg zur Bettelwurfhütte oder die Route über das Lafatscher Joch. 

 

Aha, teils sogar neu ausgeschnitten!

  

Gegenüber am Nordhang von Hochmahdkopf und Zunterköpfen die Lichtung mit St. Magdalena, dem visuellen Fixpunkt der Tour. 

 

Kurz berühre ich das Bachbett, wo ich am Nachmittag via Wirtesteig von der Bettelwurfhütte herunterkommen werde.  

 

Ich halte mich aber nordwestwärts. Sporadische gelbe Markierungen weisen den Weg. Schon alleine die Begehung dieser alten Steige ist eine eigene Tour wert. 

 

Auf ca. 1.550m Einstieg in die steilen, aber gut gangbaren kahlen Platten. Trocken sollte es sein.

  

Plattenturm im Vordergrund, dahinter das Halltal mit der Wildangerspitze (2.153m) links.

 

Am Rand der Platten in gerade Linie aufwärts. 

 

Stempeljochspitzen (2.543m) und Rosskopf (2.670m), ein schöner Genußgrat (II).  

 

Auf 1.820m wechselt man in eine ausgewaschene Rinne, die hinauf zum Speckkar leitet.

 

Der Südrücken der Speckkarspitze, man steigt praktisch in direkter Linie vom Latschenfleck links der Bildmitte an. Im unteren Bereich schrofiges T4, oben felsigeres I. 

 

Zuerst noch die Rinne hinauf zu den Speckkaren (max. I). 

 

Auf 2.160m fädelt man auf den markierten Weg zwischen Bettelwurfhütte und Lafatscher Joch ein. Die zahlreichen Hüttenwanderer wunderten sich etwas, wer da aus dem unwegsamen Gelände heraufkommt. 

 

Nun wenige Minuten am Steig durch das Große Speckkar zum Ansatz des Südrückens. 

 

Klassisches T4. Achtung darauf keine Gesteinsbrocken loszutreten, da direkt unterhalb der Wanderweg verläuft. 

 

Vom Südrücken bekomme ich einen ersten Eindruck des Steilaufschwungs zum Kleinen Bettelwurf, der die schwierigste Passage am später folgenden Grat darstellen wird. 

 

Rückblick auf den bisherigen Anstieg, der fast in Falllinie zu St. Magdalena erfolgte. 

 

Die imposante westliche Steilstufe am Kl. Bettelwurf im Zoom. 

 

Die obersten 200 Höhenmeter werden zunehmend felsiger. Die Thermik sorgte für einen frischen Luftzug und reichlich Wolkenbildung.

 

Ziemlich unvermittelt steht man dann vor dem Gipfelkreuz der Speckkarspitze (2.621m) - dank der direkten Steige trotz gemütlichen Tempos nur 2:40h vom Raddepot. Etwas verwundert obendrein: ist an diesem Samstag im frühen Juli gar niemand hier?

 

Niemand hier? Haha, weit gefehlt. 5 Sekunden nach meinem Gipfelsieg trifft eine größere Gruppe ein, die vom Halleranger aufgestiegen ist. Ich halte mich also nicht lange auf und wende mich dem Grat zu. 

 

Hier ist er: fast 2 km lang, mit den schwierigsten Stellen gleich zu Beginn, später beim Signalkopf sowie vor allem am Steilaufschwung zum Kl. Bettelwurf. Ich verstaue meine Wanderstöcke und ab die Post. 

 

Keine zwei Minuten nach Verlassen der Menschenansammlung folgt die erste Schlüsselstelle. Eine schmale Scharte mit daran anschließenden zerklüfteten Rippen. Für Nachgeher empfehle ich die Lektüre von Rainers Berichten hier und hier. Es gibt keine bessere Quelle für Karwendel- (und insbesondere Halltal-)touren - großes Danke an dieser Stelle!

 

Südlich eine denkbare Umgehung. Hmm, eher nicht. 

 

Daher in diese schmale Scharte. 

 

Und nordwärts exponiert, aber kurz mit beherztem Griff hinüber. 

 

Dann oben in eher flachem Auf und Ab weiter. Eine größere Steilstufe ist noch zu überwinden.

 

Die garstige Nordseite. Für mich unvorstellbar, einen derartigen Fleischwolf durchsteigen zu können. 

 

Die Steilstufe von der Speckkarspitz runter. Etwas ausgesetzt, der Grat ist nach Norden leicht überhängend, daher reichlich "bizarre Tiefblicke", wie Rainer so treffend formuliert.  

 

Ein paar spitzere Zacken mit kleinen Umgehungen (möglicherweise die im AVF erwähnten) ...

 

... bis der Grat deutlich sanfter wird. In Summe ein schöner IIer. 

 

Nun folgt eine längere Strecke mit Gehgelände. Es bleibt beim Sonne-Wolken-Spiel, trockenes und angenehm temperiertes Bergsteigerwetter.  

 

Tiefblick auf das Halltal und die Rinne, die ich vorhin angestiegen bin. 

  

Vom Grat immer wieder das Einblicke ins innere Karwendel. Im Vordergrund die südliche Rossloch-Umrahmung mit Reps - Sunntigerspitze - Hallerangerspitzen, dahinter die Sonnenspitzen in der Sonne. 

 

Teilweise prägen sich im Gehgelände sogar Steigspuren aus. 

 

Über einen kleineren namenlosen Gratkopf drüber. 

 

Und auf den von Westen unscheinbaren Signalkopf (2.504m). Im ostseitigen Abstieg nehmen die Schwierigkeiten wieder zu. 

 

Es gilt den Tiefpunkt des Grats zu erreichen, bevor der Grat langsam aber sicher zum spannenden Finale leitet. 

 

Tiefblick auf die Hallerangeralm, das Hallerangerhaus versteckt sich kaum sichtbar links im Wald. 

 

Abstieg vom Signalkopf: die ersten Meter nehme ich direkt am festen Grat (II). 

 

Danach aber ab in die schaurige Nordseite, was immer erhöhte Anspannung erzeugt. Ein ausreichend breites Band führt hinüber zu einer schmalen Scharte. 

 

Rechts zur (verdeckten) Scharte. Die nächsten Meter erfordern wieder erhöhte Konzentration. 

 

Aus der Scharte ein steil aufragender Zapfen, über diesen muss man drüber (II+). Die Alternative wäre ein unangenehmer südseitiger Abstieg. 

 

Da bleibe ich lieber im festen Fels. Ausgesetzt auf schräg geneigten, trittarmen Platten rüber.

 

Ein wirklich wunderbares, kaum brüchiges Stück herunter vom Signalkopf. 

 

Nun am Tiefpunkt des gesamten Grats auf ca. 2.430m. 

 

Wem beim Aufstieg zum Kleinen Bettelwurf die Knie schlottern, könnte von hier schnell abschottern. Im Ernst: der weitere Aufstieg hat's in sich, wie die nächsten Bilder zeigen. 

 

Rustikales Gelände am Westaufschwung. 

 

Aus der Nähe betrachtet: nordseitig (links) auf Bändern aufwärts, wo es dann eine sehr ausgesetzte Querung gibt (nicht sichtbar). 

 

Grausiges Gelände am nordseitig exponierten Aufschwung. Technisch nicht mehr als II, aber viel loser Schotter und eklatanter Tiefblick. Es gäbe auch eine Variante an der Westseite, mehr dazu in Rainers Bericht.

 

Alle Bänder haben ihr Ende. Hier rechts rum und ... 

 

... höchst exponiert auf einen Steilabsatz. Hier hat man 800 Meter Luft unter den Sohlen. 

 

Oben gelangt man abermals auf ein Band. Gegenüber schon der abschließende Kamin. 

 

Das unschwierig zu gehende breite Band. 

 

Sehenswertes Felsenfenster. Wie gesagt: St. Magdalena ist der visuelle Fixpunkt dieser Tour. 

 

5m senkrecht runter in eine weitere schmale Scharte (II). 

  

Und gleich gegenüber der Kamin, die im AVF erwähnte Schlüsselstelle (III). Etwa 10m hoch und beinahe senkrecht. Felsqualität gut, lediglich der Ausstieg ist etwas knifflig und erfordert erhöhten Kraftaufwand. 

Vom unteren Ende das Kamins rübergeblickt zum stark exponierten Aufstieg auf das oberste Band, das man bei den helleren Felsbrocken erreicht. 

 

Der Kamin von unten. 

 

Der Kamin von oben.

 

Das war's mit den Schwierigkeiten. Nun noch zwei einfache Aufschwünge.

 

Die Bettelwürfe breiten sich vor mir aus. 

  

Herrlich! Ziemlich exakt 2h nach Aufbruch von der Speckkarspitze erreiche ich den Westgipfel des Kl. Bettelwurf. 

 

Am Grat wird man nicht sehr oft jemandem zum Schmusen treffen :)

 

Die Speckkarspitze in 1,7 km Entfernung. Links Kleiner (2.636m) und Großer Lafatscher (2.696m), rechts die beiden Praxmarerkarspitzen (2.638m). 

 

Herrlicher Einblick in das Vomperloch: Platten- (2.492m) und Spritzkarspitze (2.606m) im linken Bildteil, rechts Huderbankspitze (2.319m) und Hochnissl (2.547m), dazwischen für mich noch terra incognita.

 

Es ist nur ein Katzensprung vom West- zum ...

 

... Ostgipfel des Kl. Bettelwurf. Wer will, könnte als Krönung noch hinauf zum Gr. Bettelwurf (2.726m), die Tour ist aber auch so lange genug. 

 

Abstieg vom Kleinen Bettelwurf, immer auf St. Magdalena zu. Zwischenziel ist die Bettelwurfhütte. 

 

Abstieg durch die Südwand auf schmalen Bändern. 

 

Teils versichert (B/C). 

 

Rückblick zum Gipfelaufbau der Speckkarspitze - rechts des Gipfels die etwas schwierigeren Gratstufen. 

 

Auf etwa 2.400m erreicht man wieder Grasgelände. 

 

Hinunter zur Bettelwurfhütte (2.079m). Nun aber nicht den wieder eröffneten Normalweg ... 

 

... sondern über den gut versteckten, lohnenswerten alten "Wirtesteig" hinab in das Halltal.

 

Wunderbare Lichtstimmung am frühen Nachmittag an der Südflanke der Speckkarspitze. 

 

Über eine versicherte Steilstufe runter zum Bachbett - die Route ist kein offizieller, gewarteter Steig. 

  

Wiederum in schnurgerader Linie auf St. Magdalena zu.

  

Aufmerksame Geher erkennen die Markierung auf dem großen Felsen.

 

Abstieg auf den glatt geschliffenen Felsen, im oberen Teil max. I. Wer will kann ein Bad nehmen. 

 

In dieser Tonart weiter runter. 

  

Wenn man in der Rinne bleibt, sind einige einfachere Kletterstellen zu überwinden. 

 

Ab etwa 1.650m empfiehlt es sich, auf dem mittleren Rücken zu bleiben. Im Bachbett häufen sich schwerere Steilstufen. 

 

Sehenswerte Plattenschichtung. 

 

Was ist das? Wohl ein Behälter der darüber verlaufenden Materialseilbahn. 

 

So erreiche ich auf ca. 1.350m wieder den Steig von heute früh. Das Bachbett bricht über eine ungangbare Wand zur Plattenreise ab.  

 

Es sind nur wenige Minuten retour zur Halltalstraße. 

 

Mit einem Rückblick zum Kleinen Bettelwurf endet diese imposante Gratüberschreitung. Für Freunde langer Grate und in Kombination mit den alten Steigen eine sehr lohnenswerte Unternehmung. Streckenweise etwas viel Gehgelände, im Nahbereich der Gipfel warten aber schöne, teils schön-schaurige und anspruchsvolle Passagen. Gerne wieder! 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    rainer (Mittwoch, 04 Juli 2018 23:04)

    Wenn man sie kennt schließt man sie ins Herz - gell Juergen?
    Eine ganz nette Tour hinterm Haus, die man immer wieder einmal machen muß und du hast sie auf den anstrengendsten An- und Abstiegsrouten begangen - alle Achtung, habe ich noch nie.
    Danke für das Rating - ist zuviel der Ehre.
    Berg Heil!
    Rainer