Hochnissl über Sunnschartspitze & Südwestgrat
2547 Meter
Karwendel
31. Mai 2018
Autor: Jürgen
Beschreibung:
Ausgangspunkt Ghf. Karwendelrast am Vomperberg (830m). Hinein in das Vomperloch zur Melansalm (1.024m) und meist
weglos, teils auf Steigspuren durch den Nasstalwald aufwärts bis zu einer Latschengasse (ca. 1.450m). Auf etwa 1.550m Einstieg in eine Rinne und über mehrere Steilstufen zur Sunnschartspitze
(1.982m). In die Sunnscharte und die massiven Abbrüche großzügig westlich durch steile Rinnen umgehen. Oben am SW-Grat über diverse Gratbuckel, dann zunehmend Gehgelände an Pkt. 2.298m vorbei und
zum Gipfel (2.547m). Über den teils versicherten Normalweg durch die SO-Flanke zum Niedernissl (2.067m) und via Dawald-Jagdhütte (1.274m) retour zum
Ausgangspunkt.
Die Sunnschartspitze ist auch als Tour mit An- und Wiederabstieg auf selber Strecke ein lohnendes, selektives Abenteuer (III im Abstieg), Kurzbericht dazu hier.
Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T6-/III)
Kriterium ist der Anstieg zur Sunnschartspitze bzw. zum unteren Südwestgrat. Ab Melansalm sehr gutes Orientierungsvermögen erforderlich, einige Stellen II/III in der 450 Meter hohen Rinne zur Sunnschartspitze sowie in der Umgehung der Abbrüche nördlich der Sunnscharte. Abstieg am Normalweg schwarz markiert, im oberen Teil versichert.
Dauer: 8:00 Stunden
Höhenmeter: 1.850 Meter
Parkplatz:
Beim Ghf. Karwendelrast
Einkehrmöglichkeiten:
Landschaft: ********** (10/10)
Kondition: ******** (8/10)
Anspruch: ********* (9/10)
Auf der Sunnschartspitze (1.982m), anspruchsvolle Zwischenstation am Weg über den Südwestgrat zum Hochnissl (2.547m, rechts oben).
Blick auf den Hochnissl von der gegenüberliegenden Walderalm, dazwischen das tief eingeschnittene Vomperloch. Die Sunnschartspitze ist ein dem Hauptkamm vorgelagerter Felskopf und nur über einen selektiven Anstieg zu erreichen. Der Weiterweg von der Sunnschartspitze zum SW-Grat ist ebenso ein schroffes Stück Karwendel.
Ausgangspunkt ist der Ghf. Karwendelrast am Vomperberg (830m). Der erste Kilometer verläuft noch auf einem Forstweg, ab dem Stupbachgraben ist Endstation für fahrbare Untersätze und das Abenteuer beginnt.
Die Sunnschartspitze von Südosten. Schon lange hatte ich mich gefragt, ob und wie es da hinaufgeht.
Auf dem markierten Weg in das Vomperloch zur Melansalm (1.024m). Gegenüber des Canyons das Walderjoch und die Ganalm an der Licht-Schatten-Grenze.
Ab der Melansalm ist Intuition gefragt. Kein Wegweiser, kein Steinmann.
Durch den Nasstalwald steil hinauf zu den Latschenhängen.
Da schau her, ein Pfad...
Der Pfad löst sich wieder auf, nimmt wieder Gestalt an, ein Fall für Spürnasen.
Blick zurück zum Vomperberg.
Urtümliches Karwendel.
Ein blauer Punkt! Nach oben hin tauchen diese sporadisch immer wieder auf.
Einstieg in eine breite Latschengasse, die den Hang unterhalb der Sunnschartspitze quert.
Und hinüber in den Kessel (ca. 1.550m). Die Latschengasse würde rechts hinaus über den Buckel und rüber zum Normalweg auf den Hochnissl queren.
Ende der Wanderung, Einstieg in die Steilrinne.
Nach etwas Aufwärmen die erste Steilstufe, II nach rechts oben. Bis ganz oben hin werden sich noch einige Steilstufen in den Weg stellen.
Rückblick.
Die nächste, am Foto harmlos wirkende Stufe. Unterhalb der Latschen über ein paar Meter III, etwas kleingriffig aber sehr guter Fels. Ein sonniges Vergnügen.
Im Rückblick sieht es so aus, wenn man die Stelle auch außen umgehen könnte.
Wieder in der Rinne. Es sei gesagt, dass es immer wieder einmal Abzweiger gibt - die Entscheidung sei der Intuition des Begehers überlassen. Ich habe mich an der einen oder anderen Stelle bewusst gegen den AVF entschieden, der von einem "nach SO ziehenden Rücken" spricht.
I/II im Wechsel. Die eine oder andere Markierung zeigt mir, dass ich nicht ganz falsch bin.
Fantastisches Ambiente.
Im Karwendel hoch über dem Vomperloch, nur wenige Plätze haben für mich eine derart magische Anziehungskraft.
Es geht weiter aufwärts. Im Vordergrund eine weitere kleingriffige III- seitlich eines Steilaufschwungs. Oben verlässt mich mein Entscheidungsglück und ich steige in die falsche Rinne ein.
Schrofig weiter, nun nicht mehr auf der Ideallinie, wie sich wenig später herausstellen sollte.
Ein kleiner von Steilwänden umgebener Kessel unterhalb der Sunnschartspitze. Ich erinnere mich an den "nach SO ziehenden Rücken", was mich nach links hinaus leiten würde, quere aber doch nach rechts Richtung Sunnscharte.
Die Querung bringt mich auf einen steile, brüchige Rippe.
Rechterhand auf einmal die Sunnscharte, dazwischen allerdings eine mindestens 10m hohe Felswand. So nah und doch so fern...
Hilft nix, daher zuerst etwas Ringkampf mit Latschen (ich konnte jeden Griff gut gebrauchen), dann sehr steil da rauf. Für mich im sehr ausgesetzten Gelände gefühlt schon III+.
Wenige Meter später stehe ich auf dem Plateau unterhalb der Sunnschartspitze (hier ca. in Bildmitte am Foto, aufgenommen wenig später aus der Sunnscharte). Bin von links aus sehr steilem Terrain bei den Latschen herausgekommen, von dort noch 20 Höhenmeter zum Gipfel.
Sunnschartspitze (1.982m) - ein hartes, aber lohnenswertes Stück Karwendel.
Sehr schöner Anstieg war das!
Mein Tagesziel noch 560 Höhenmeter weiter oben. Nächste Herausforderung: auf den Südwestgrat hinaufkommen.
Zuerst hinunter in die Sunnscharte (II-).
Die Abbrüche des Westgrats schauen nicht gangbar aus. Da der AVF mit III bewertet suche ich aber lange nach einer möglichen Route.
Selbst mit Fernglas keine Steinmänner oder Markierungen erkennbar. Der AVF meint "westlich umgehen", also eventuell dort bei den Latschen.
Das heißt aber schrofig etwa 100 Höhenmeter absteigen.
Respekteinflößende Szenerie. Auch links der Riss schaut nicht ungangbar aus, aber meine Intuition zieht mich doch weiter hinüber.
Langsam da hinüber, teilweise etwas ausgesetzt aber ohne größere Schwierigkeiten. Mit jedem Schritt steigt die Spannung ob bzw. wie es oben weitergeht ...
Kurz vor der Ecke eine ausgesetzte III-, zurück möchte ich da ehrlicherweise nicht mehr.
Rückblick zur Sunnschartspitze.
Um die Ecke geblickt - eine gangbare Rinne!
Diese macht über 150 Höhenmeter richtig Spaß!
Die Rinne endet abrupt, ein zackiger Ausstieg auf eine Rippe (II+).
Oben Wechsel in eine weitere Rinne und Ausstieg zu den Latschen.
Die Routensuche ist fordernd, daher muss ich mich doch einmal hinsetzen und das unglaubliche Panorama genießen. Mittig die Huderbankspitze (2.319m) mit dem Grat über den Kaiserkopf zum Hochglück (2.573m), links der Hundskopf (2.243m), sowie der lange Grat zwischen Trattenspitze (2.438m) und Hoher Fürleg (2.571m), daran anschließend der Gr. Bettelwurf (2.726m).
Rückblick auf den Ausstieg, damit sind die größten Schwierigkeiten geschafft.
Ab hier beginnt der eigentliche Südwestgrat. Von unten nach oben leichter werdend.
Nach Nordosten einer der schwierigsten Karwendelgrate überhaupt, nämlich jener zwischen Hochglück und Lamsenspitze.
Tiefblick zur Sunnschartspitze.
Am Anfang stellen sich noch einige Gratköpfe in den Weg, hier aber maximal I.
Nach der ersten schrofferen Passage nehme ich wieder die Stöcke zur Hand.
Auf Pkt. 2.298m.
Die sehen hier wohl nicht sehr viele Leute.
Unschwierig weiter, hier Pkt. 2.298m im Rückblick.
Eine letzte Stelle, die zuerst wilder aussieht als sie ist (I).
Im Schuttgelände kurz vor dem Gipfel.
Tiefblick auf die Sunnschartspitze.
Der Hochnissl ist ein Aussichtsberg allererster Klasse.
Die letzten Meter zum heute gut frequentierten Gipfel.
Am Hochnissl (2.547m).
Etwas müde, aber extrem happy über die gelungene Tour.
Richtung Nordwesten könnte man die (offiziell gesperrte) Route zur Lamsscharte sowie zur Lamsenjochhütte gehen. Rechts im Hintergrund das Sonnjoch (2.457m) sowie der lange Grat zwischen Schaufelspitze - Bettlerkarspitze - Falzthurnjoch. Rechts unten auch der mit Laufschuhen gut umrundbare Raue Knöll.
Abstieg mit großzügiger Zeitangabe. Bei flottem Tempo schafft man das Ganze locker in 2h.
Es ist aber in der Tat relativ weit zum Vomperberg, der Wiesenfläche in Bildmitte. Links im Kamm die sehr lohnende Fiechter Spitze (2.299m).
Die ersten 50 Höhenmeter im brüchigen Geschröff und teils versichert abwärts.
Der steilere Teil leitet in vielen Serpentinen hinab zum Niedernissl (2.067m). Links der Bärenkopf, ein lohnenswertes Ziel für eine Kurztour.
Die mächtige Scharte zwischen Niedernissltürmen und Schneekopf.
Vom Niedernissl hinab in den Kessel.
Letzte unkritische Schneefelder, die zum Figln einladen.
Am Rand der mächtigen Reise abwärts - auf dem gesamten Abstieg immer gut markiert.
Eintauchen in die hitzigen Latschen.
Fantastische Umgebung unterhalb der Niedernissltürme.
Im Westen taucht wieder die Sunnschartspitze auf.
Bei der Dawald-Jagdhütte (1.274m), lang ersehnte Labestation.
Zeit für ein Studium der Sunnschartspitze. Ich bin direkt rechts unterhalb des Gipfels die Rippe hinauf, besser wäre es wohl noch weiter rechts unterhalb der Sunnscharte gewesen.
Schöner Abstieg unterhalb der Dawald-Hütte.
Wunderbarer Frühlingswald.
Schon ein Ritual zum Ende einer Tour in diesem Gebiet: die Bergsteigerdusche im Stupbachgraben.
Am Vomperberg endet die grandiose Tour nach fast 8 Stunden. Der Hochnissl ist immer eine Begehung wert. Die Runde über die Sunnscharte sollte man aber nicht unterschätzen - bei fehlender Routenkenntnis sollte man die Sache keinesfalls unvorbereitet angehen.
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rainer (Freitag, 01 Juni 2018 22:25)
Bravo Jürgen!
Alfred Gruber (Freitag, 21 September 2018 13:28)
Lieber Jürgen,
Großartig!! Ich bin schwer beeindruckt von deiner Route und den super Fotos!
Ich bin Geologe an der Geologischen Bundesanstalt in Wien und mit der geologischen Kartierung des Karwendelgebirges beauftragt, dieses Jahr im Speziellen mit dem Hochnisslgebiet. Ich hab schon einige Runden gedreht, unter anderem den Jägersteig vom Nasstalwald begangen, den du am Beginn deines Anstieges benutzt hast. Heuer steht mir noch die Aufnahme der Gesteine im Gipfelbereich des Hochnissl und des SW-Grates bis zum Pkt. 2299 m, im Zwerchloch inkl. Schaf- und Lamskar und an der Huderbank bevor.
Bin sehr an einem Treffen bzgl. Routen und Begehbarkeit der genannten Gebiete interessiert.
Schöne Grüße
Alfred Gruber
Geologische Bundesanstalt
Abteilung Sedimentgeologie
Wien
Jürgen (Dienstag, 25 September 2018 08:58)
Lieber Alfred,
danke für deine Anfrage! Ich kenne vor allem jene Routen, die im Klier-Alpenvereinsführer dürftig beschrieben und dadurch auch wenig begangen sind. Auf die Huderbank gibts einen markierten Jagdsteig, der Südanstieg ins Lamskar ist ein offizieller Weg. Wir können uns gerne zu den Routen im Gebiet austauschen, ein Treffen wäre zB in Innsbruck möglich.
Gruß, Jürgen
Harald (Montag, 06 September 2021 09:26)
"Für mich im sehr ausgesetzten Gelände gefühlt schon III+"
Gefühlt III+ oder tatsächlich III+ ?
Jürgen (Montag, 06 September 2021 13:24)
Hallo Harald,
sorry für die sprachliche Unschärfe. Dort, abseits der korrekten Route, in der Tat schon III+. Am besten man hält sich weiter unten in der Rinne eher mittig (und nicht links in den verlockenden Kessel) und kommt so zu einer mit Bandschlinge entschärften Steilstufe - Fotos im Kurzbericht https://www.hikalife.com/2019/11/01/kurzbericht-sunnschartspitze/
Gruß, Jürgen
Florian (Montag, 13 September 2021 11:06)
sehr schöne Tour, am 9.9.2021 gemacht
Nic (Dienstag, 09 Mai 2023 19:09)
Hallo Jürgen,
toller Bericht über diese spannende Bergfahrt! Der Link zu dem Kurzbericht auf die Sunnschartenspitze funktioniert irgendwie nicht. Ist dieser Bericht überhaupt noch online? Wäre sehr daran interessiert.
Viele Grüße Nico
Jürgen (Dienstag, 30 Mai 2023 11:26)
Danke! Link ist aktualisiert. LG