Eiskarlspitze & Spritzkarspitze

2610 / 2606 Meter

Karwendel

6. September 2020

Autor: Jürgen

Mit auf Tour: Holger & Simon

 

Beschreibung:

Auf klassischer Route auf die dominierenden Gipfel über der Eng im Zentralkarwendel: von der Eng (1.207m) via Kirchl (1.570m) in das Hochglückkar und weiter zur westlichen Hochglückscharte (2.387m). Über den Ostgrat in mehreren Steilstufen und mit zwei nordseitigen Umgehungen zum Gipfel der Eiskarlspitze (2.610m). Westlich am Grat weiter zum Abbruch, der in der Steilrinne durchklettert wird, und hinüber zur Spritzkarspitze (2.606m). Retour zur Eiskarlspitze und am selben Weg zurück in die Eng.

 

Die beiden Gipfel erreicht man auch über langwierige Anstiege aus dem Vomperloch. Die Spritzkarspitze mit Zustieg aus dem Spritzkar und Weiterweg zur Plattenspitze ist hier nachzulesen, unser Versuch der Eiskarlspitze über die Spitzkarlspitze (Spritzkarkopf) hier.

      

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T5/II+)

Ostgrat zur Eiskarlspitze klassisch II, an den brüchigen Stellen ist Vorsicht geboten. Herauszuheben ist die 'gache' Steilrinne am Westgrat der Eiskarlspitze. Rein klettertechnisch nicht mehr als II+, aber ausgesetzt. Weiterweg zur Spritzkarspitze max. I. Wer seinen Adrenalinausstoß testen will, kann sich vom Hochglückkar aus noch die berüchtigte Querung in die Eiskarln ansehen - gewaltige Ausgesetztheit!

 

Dauer: 8:00 Stunden

Höhenmeter: 1.530 Meter

 

Parkplatz:

Eng

 

Einkehrmöglichkeiten:

Engalm

 

Landschaft:  ********** (10/10)

Kondition:            ****** (6/10)

Anspruch:         ******** (8/10)



Dem Himmel ganz nah: Simon auf den letzten Metern zur Eiskarlspitze im Zentralkarwendel.

 

Nachdem Holger und ich vergangenen September am Zustieg zur Eiskarlspitze von Süden aus dem Vomperloch gescheitert sind, gehen wir heute auf Nummer sicher. Frühmorgens kurven wir ums halbe Karwendel und starten gegen 6:45 Uhr aus der Eng. Simon ist auch mit dabei. Links oben unsere beiden Tagesziele, rechts die Laliderer Wände im ersten Sonnenlicht.  

 

Die Wegstrecke am offiziellen Steig ist kurz, bald nach der Engalm gehts rechts ab ins Gemüse hinauf ins Kirchl. Hier befindet man sich direkt unterhalb der gigantischen Abbrüche aus dem Eiskarl, dem nordseitig unterhalb von Eiskarl- und Spritzkarspitze eingelagerten, schwer erreichbaren Kar. Nicht minder beeindruckend auch der "Schiefe Riß" (UIAA V) in der besonnten Spritzkarspitz-Nordwand. 

  

Der Kirchlstein empfängt uns auf 1.570m.

 

Es kommt Licht in die Sache. Immer wieder erinnern wir uns gegenseitig an die vom Eiskarl ansetzende Nordroute hinauf zur Spritzkarspitze. So hätte man den Steilabbruch am Westgrat der Eiskarlspitze auch im Aufstieg. Die Route ist laut Berichten "nur" II, die Herausforderung ist aber die extrem ausgesetzte Querung des Gratturms (halblinks im Bild) vom Hochglückkar in das Eiskarl. Das müssen wir uns näher ansehen, auch wenn die Begehung der Route heute kein Thema ist.

  

Vorläufig bleibt es einfach. Ein guter Steig führt aufwärts ins Hochglückkar.

  

Ab dem unteren Karboden verläuft sich der Steig. Rechts der markante Gratturm, der gequert werden müsste. Es wird empfohlen, erst später einzusteigen wenn die Sonne alles abgetrocknet hat. 

 

Mich ziehen unbekannte Routen ja magisch an. Aus der Nähe betrachtet ist schon der Einstieg nicht von schlechten Eltern. Da müsste man hinüber, und danach geht der Spaß erst richtig los. 

 

Die Ausgesetztheit ist bemerkenswert, selbst da wo die Graspolster noch recht breit sind. Rechts bricht es senkrecht 300-400 Meter ab.

 

Holger schaut sich den Weiterweg an, laut Berichten großteils Gehgelände mit einer IIer Stelle aber eben extrem ausgesetzt. Beim Rückweg lassen wir auch noch die Drohne fliegen und haben nun ein besseres Gefühl für die Route. Eins sei gesagt: die Drohnenaufnahmen lassen es in der Draufsicht nicht leichter erscheinen. 

Zurück in sicheres Gelände. Oben locken die Hochglückscharten. 

 

Wir genießen den tollen Spätsommertag und lassen uns ausgiebig Zeit. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: in diesen Stunden nahm bereits das Drama und spätere "Wunder von Schwaz" seinen Lauf. Ich habe später noch alle Fotos durchforstet und niemanden ausmachen können (siehe weiter unten).

 

Ich mühe mich hinauf zur Westl. Hochglückscharte. Der Zustieg ist mühsam ... 

 

... die Rinne selbst nicht schwierig (I+).

"Schartenmoment" mit Blick nach Süden auf das Fürleg- und Bettelwurfmassiv. Unmittelbar nach der Scharte entlang der Schrofen rechts auf den Ostgrat.

 

Karwendel-Liebe.

 

Holger steigt voran, Simon folgt nach. Eine gute Stunde ist für den Grat zu rechnen und erfreulicherweise ist dieser in Summe weniger brüchig als der gegenüberliegende Westgrat des Hochglück.

Die Grundcharakteristik im unteren Teil: mehrmaliges II, Fels akzeptabel.

 

In diesem Bereich auch einmal schmäler.

 

Die Nachhut aus Holgers Perspektive. Hinter uns der Hochglück, letzter Gipfel auf meiner langen Grattour aus dem Vomperloch vor 2 Jahren.

 

Walderalm. So nah das Inntal von hier wirkt, ist es doch eine kleine Weltreise um hierher zu kommen.

 

Nach den ersten Aufschwüngen folgt Gehgelände.

 

Tiefblick ins Hochglückkar.

 

Ein ganzes Jahr hab ich mich gefragt wieso es uns hinter der Spitzkarlspitze so "gefeigelt" hat. Dank der Hinweise unserer Leser und diesem Foto lässt sich von hier vermutlich die Theorie bestätigen, dass es unmittelbar hinter dem Gipfel neue Abbrüche gibt und der Grat schwieriger als II geworden ist.

 

Sehr imposant auch die "Rückseite" der Fallbachkartürme mit dem Stubaier Gletscherpanorama im Hintergrund.

 

Rückblick auf den flachen Gratbereich. Rechts vom Hochglück tauchen nun Kaiserkopf und Huderbankspitze auf. In den Steilrinnen ganz am rechten Bildrand wurde der vermisste Wanderer zwei Tage später, nach einem markanten Wettersturz, zufällig anhand seines blauen Rucksacks entdeckt.

 

Unser Grat steilt wieder auf. Fallweise etwas splitterig, einfaches Kraxelgelände.

 

Bevor es erstmals rechts hinaus in die erste der beiden nordseitigen Querungen geht. Die Perspektive täuscht etwas, die Passage ist nicht so wild wie sie hier erscheint. 

 

Rückkehr zum Grat nach der Umgehung.

 

Holger in der zweiten nordseitigen Querung.

 

Simon folgt. Etwas Tiefblick hat es hier schon.

 

Wir erreichen den Gipfelgrat, hier dockt der Grat von der Spitzkarlspitze an. Kurz hätte es mich ja schon gereizt mir das Ganze näher anzusehen, aber wir hatten noch was anderes vor.

 

Aussichtsreiches letztes Stück.

 

Eiskarlspitze (2.610m), endlich einmal auf diesem schönen Gipfel.

 

Simon beschließt, es sich hier gemütlich zu machen. Holger und ich deponieren die Rucksäcke ... 

 

... und steigen den Westgrat der Eiskarlspitze ab. 

 

Einiges steht geschrieben über die Steilrinne am Westgrat. Meist empfiehlt es sich ja schwierige Stellen zuerst im Aufstieg zu testen, aber wenn wir schon hier sind halt in die Gegenrichtung. Wie ich damals im Oktober 2018 von Süden auf die Spritzkarspitze bin, war diese Rinne schon voller Schnee.

 

Wir wechseln hinüber zur Gratkante, da pfeifen die Komantschen. Holger steigt vor. Der Fels ist großteils gut und wir verwenden die kleinen Absätze als Treppen. Die schwierigste Stelle ist gleich oben (also ziemlich am Anfang im Abstiegssinn), II+.

  

Ich beim Abklettern. Von unten nach oben schaut sowas meist gleich viel freundlicher aus.

Eine gewisse Ähnlichkeit zum Kalkwand-Westgrat ist nicht zu verleugnen. Der Fels ist gut, aber nicht ganz so zuverlässig.

 

Nun flanieren wir ohne Schwierigkeiten am Grat hinüber zur Spritzkarspitze, einem der echten Traumgipfel des Karwendels.

 

Das weite, verlassene Spritzkar, aus dem ich nach einem kalten Biwak damals angestiegen bin. 

 

Eine runde Dreiviertelstunde braucht man herüber zur Spritzkarspitze (2.606m). Westwärts setzt sich der Karwendelhauptkamm fort mit Plattenspitze (2.492m) und Grubenkarspitze (2.663m), links der Bildmitte die Hochkanzel (2.574m).

 

Das gefällt uns!

 

Simon hält sein Nickerchen da drüben, wir machen uns an den Rückweg.

 

Unterwegs in diesem schönen Gebirge.

 

Tief unten nun die Eiskarln und in der rechten oberen Bildecke der markante Gratturm. Etwa hier kommt man beim Nordanstieg herauf. Von einem Abstieg über diese Route ist abzuraten.

  

Gut zu erkennen: man nimmt den linken Ast der V-förmigen Verschneidung.

 

Aufwärts ein purer Klettergenuss.

 

Bald retour auf der Eiskarlspitze. Simon ist wieder munter und wir pausieren noch ein bisschen.

 

Wir verabschieden uns von diesem fantastischen Ort.

 

Viel muss man über den Abstieg nicht zusätzlich sagen: hier in der oberen Querung.

 

Einstieg in die untere Umgehung. Nicht stolpern und dort wo nötig Dreipunkttechnik anwenden.

 

Nach der unteren Querung, Simon noch mittendrin.

 

Immer wieder der Blick auf die Schafkarscharte zwischen Hochglück und Barth- bzw. Schafkarspitze. Schwieriges Karwendel.

 

Foto des Tages, sagt wohl alles über unsere Tour!

 

Abklettern im unteren Gratbereich. 

  

Zuletzt über die Schrofen hinab in die Scharte.

 

Unterhalb der Scharte sind die Schwierigkeiten vorbei, es wartet noch der Abstieg über 1.100 Höhenmeter in die Eng.

  

Im Hochglückkar beim Abstieg eher links halten, dann lassen sich die steileren Bereiche gut umgehen.

 

Nochmals der Bereich des Übergangs in die Eiskarln. Ziemlich genau auf halber Höhe des Turm steigt man in die Steilflanke ein und quert ansteigend nach rechts. Im Abstieg seilfrei KEINESFALLS zu empfehlen. Es gibt auch dem Turm auch mehrere neu eingebohrte Kletterrouten.

 

Holger findets witzig, dass ich nicht und nicht aufhören kann die Route zu studieren.

Hinab zum Kirchl.

 

Eiskarl-Abbrüche von unten. 

 

Wir machen uns bereit für den Zivilisations-Schock. Hunderte Gäste bevölkern die Eng mit dem Ahornboden.

 

Nach 8 Stunden ohne Stress schauen wir zurück auf die mächtigen, einsamen Karwendelgipfel und freuen uns, dass wir endlich auf der Eiskarlspitze waren. Wie immer bei Touren in dieser Gegend genehmigen wir uns zum Abschluss ein Hopfenes bei der urigen Garberlalm - sehr empfehlenswert!

 


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Kommentare: 5
  • #1

    Holger (Montag, 21 Dezember 2020 08:14)

    Wie immer ein perfekter Bericht!

  • #2

    Carsten (Montag, 21 Dezember 2020 11:27)

    Glückwunsch zu einer tollen Tour! Bei den schönen Fotos werden Erinnerungen an meine Tour auf die beiden Gipfel durch die Eiskarln wach - eine absolut empfehlenswerte Unternehmung der Extraklasse. Der ausgesetzte Turm läßt sich auf einer der neuen Kletterrouten leicht "erschummeln". Die Kletterei am Grat aus den Eiskarln hoch zum Verbindungsgrat zwischen Spritzkar- und Eiskarlspitze ist dann das Sahnestück. Ein anhaltender klassischer IIer (in etwa wie die V-Verschneidung hoch zur Eiskarlspitze, aber auf einigen hundert Höhenmetern) in schönster und beeidruckender Umgebung.

    Beste Grüße aus München, Carsten

  • #3

    Jürgen (Dienstag, 22 Dezember 2020 15:53)

    Carsten,
    eure Klettertour habe ich nach der Tour beim Recherchieren gefunden, weil uns die neuen Bohrhaken aufgefallen sind. Die Steilschrofen schauen trotzdem haarsträubend aus. Beim "Normalweg" ist uns anhand der Drohnenbilder unklar wie der Felsteil in der Mitte (II-) zu packen ist - schaut aus wie eine senkrechte Felswand. Motto: irgendwie da durchkommen und dann Bühne frei für das "Sahnestück".
    LG

  • #4

    Sebastian (Sonntag, 06 Juni 2021 14:15)

    Servus zusammen,
    da bin ich ja nicht der einzige, der am Übergang in die Eiskarln gekniffen hat. Krasses Nordwandfeeling :-) Zuviel für mein Nervenkostüm.
    Schade, dass Ihr die Drohnenbilder nicht im Bericht habt.
    Beste Grüße und gesunde Touren weiterhin,
    Sebastian

  • #5

    Robert aus Kufstoan (Mittwoch, 15 September 2021)

    A wunderschene Tour, von der tram i heit nu und studier immer wieder meine Bilda vom Übergang ins Eiskar :-)